Dhalgren
möchtest du mit zu mir kommen, wo es ein bißchen wärmer ist und ich auf dich aufpassen kann.«
»Nein, ich will auf Lanya warten.« Kidds Gedanken waren so abgehackt und hektisch und tobten derart in seinem Kopf herum, daß er erst fünfzehn Sekunden später, als Fenster an den Tisch zurückkam, merkte, daß Tak nichts weiter gesagt hatte und auf die Kerzenflamme im Brandy starrte.
Fensters Wut war mit der Entleerung seiner Blase verschwunden. Als er sich setzte, sagte er ziemlich ruhig: »Hey, weißt du, was ich sagen wollte - «
Tak stoppte ihn mit ausgestrecktem Zeigefinger. »Touche, Mann. Touche. Laß mich in Frieden. Ich denke darüber nach.«
»Okay.« Fenster war zufrieden. »Okay.« Er lehnte sich zurück und blickte auf die Flaschen vor ihm. »Nach so viel zu trinken, kann man das wohl verlangen.« Er begann, das Etikett abzu-knibbeln.
Aber Tak war immer noch still.
»Kidd -?«
»Lanya!«
2
Wind fuhr durch die Blätter, weckte sie, weckte ihn unter ihrem sich umwendenden Kopf, ihrer sich bewegenden Hand. Erinnerungen bemächtigten sich noch seiner, die wie Weiden schwankten, wie Worte: Sie hatten geredet, sie waren gegangen, sie hatten sich geliebt, sie waren aufgestanden und waren weitergegangen - diesmal nur wenig geredet, weil hinter seinen Lidern Tränen hochstiegen, die in die Nase abflossen und nasse Lidränder hinterließen; Schnüffeln, doch trockene Wangen. Dann waren sie zurückgekommen, hatten sich hingelegt, wieder geliebt und waren eingeschlafen.
Sie nahm die Unterhaltung auf, deren Anfang in heller, tiefer Erinnerung vergraben war: »Du kannst dich wirklich nicht erinnern, wohin du gegangen bist oder was passiert ist?« Sie hatte ihm Zeit zum Ausruhen gelassen; jetzt drängte sie wieder. »In der einen Sekunde warst du noch bei der Kommune, in der nächsten verschwunden. Hast du gar keine Ahnung, was zwischen dem Zeitpunkt, wo wir in den Park gekommen waren und wo dich Tak draußen aufgestöbert hat, passiert ist? Tak sagte, es müsse mindestens drei Stunden später gewesen sein!« Ihm fiel wieder ein, wie er mit ihr und Tak in der Bar geredet hatte; schließlich hatte er nur noch zugehört, wie sie und Tak miteinander redeten. Er schien es nicht zu begreifen.
Kidd sagte, weil dies der einzige Gedanke war, der ihm möglich war: »Das ist das erste Mal, daß ich hier richtigen Wind erlebe.« Blätter wehten über sein Gesicht. »Das erste Mal.«
Sie seufzte. Der Mund drängte sich an seinen Hals.
Er versuchte, einen Deckenzipfel über die Schultern zu ziehen, stöhnte, weil es nicht klappte, hob eine Schulter, es gelang.
Über ihnen öffnete sich ein bestürzendes Loch zwischen den Blättern, veränderte sich, zog vorbei. Er zog die Lippen zurück, blinzelte in die streifige Dämmerung. Graubraun, dunkel und perlfarben wirbelte es hinter den Zweigen, faltete sich, knüllte zusammen, riß aber nicht auf.
Sie rieb seine Schulter. Er wandte ihr sein Gesicht zu, öffnete den Mund, schloß ihn, öffnete ihn wieder.
»Was ist es? Sag mir, was geschehen ist. Sag mir, was es ist.«
»Ich werde . . . kann sein, daß ich ausflippe. Das ist es, weißt du?«
Aber er war ruhiger. Alles war weniger leuchtend, aber klarer. »Ich weiß es nicht. Aber vielleicht . . .«
Sie schüttelte den Kopf, nicht ablehnend, eher verwundert. Er griff zwischen ihre Bein, wo ihr Haar noch klebrig war, nahm kleine Büschel und rieb sie zwischen den Fingern. Ihre Schenkel wollten sich öffnen, umspannten ihn aber weiter. Ohne eine Bewegung rieb sie ihr Gesicht an seinem Haar. »Kannst du mit mir darüber reden? Tak hat recht - du sahst aus wie unter Drogen! Aber ich weiß, daß du Angst hattest. Versuch, mir darüber zu erzählen, ja?«
»Yeah, yeah . . . ich . . .« Er kicherte gegen ihre Haut. »Ich kann immer noch bumsen.«
»Ja, reichlich, und ich finde es schön. Aber auch das ist . . . manchmal anstelle von Reden.«
»In meinem Kopf gehen die ganze Zeit Wörter um.«
»Welche? Was sagen sie?«
Er nickte und schluckte. Er hatte versucht, ihr etwas Wichtiges zu sagen, über die Richards, über Newboy. Er sagte: »Dieser Kratzer . . .«
»Was?« fragte sie in sein zögerndes Schweigen.
»Habe ich etwas gesagt?«
»Du hast gesagt: >Dieser Kratzer.< «
»Ich bin mir nicht sicher . . .« Er begann, den Kopf zu schütteln. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es laut gesagt habe.«
»Weiter«, sagte sie. »Welcher Kratzer!«
»John. Er hat Milly ins Bein
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