Dhalgren
tappst hinein und tust dir weh. Es ist grausam, es zu sagen, aber es ist auch schwer, dir zuzusehen.«
»Nein.« Er runzelte die Stirn angesichts der langen Dämmerung. »Als wir hinauf zu Newboy gingen, fandest du -« und dachte an ihr verdorbenes Kleid.
»Bei Calkins - hattest du da Spaß?«
Sie lachte. »Du nicht?« Ihr Lachen erstarb.
Aber er fühlte noch ihr Lächeln an seiner Schulter. »Es war eigenartig. Für mich. Manchmal ist es leicht, zu vergessen, ich hätte irgend etwas anderes zu tun außer . . . diesem hier.«
»Du hast mal über einen Kunstlehrer gesprochen. Ich kann mich daran erinnern. Und das Tonbandschneiden und Unterrichten. Malst du auch?«
»Vor Jahren«, entgegnete sie. »Als ich siebzehn war. Ich hatte ein Stipendium für die Kunststudenten-Vereinigung in New York, vor fünf oder sechs Jahren. Heute male ich nicht mehr. Ich will nicht.«
»Warum hast du aufgehört?«
»Möchtest du die Geschichte gerne hören? Grundsätzüch, weil ich sehr faul bin.« In seinen Armen zuckten ihre Schultern hoch. »Ich habe mich einfach davon entfernt. Als ich dahinterkam, war ich eine Zeitlang sehr besorgt. Meine Eltern haßten es,
daß ich in New York lebte - ich hatte gerade Sarah Lawrence wieder verlassen, und sie wollten, daß ich bei einer Familie wohnte. Ich habe dann mit zwei anderen Mädchen ein schauderhaftes Apartment in der Sechsundzwanzigsten bewohnt und halbtags bei der Vereinigung gearbeitet. Meine Eltern haben mich für ziemlich verrückt gehalten und waren glücklich, als ich wegen meines >Zeichenblocks< zum Psychiater wollte. Sie hatten gedacht, er würde mich schon davon abhalten, etwas wirklich Dummes zu tun.« Sie bellte ein einsilbiges Lachen. »Nach einer Zeit lang hat er gesagt, ich müsse mir selbst einen Plan machen. Ich habe mir vorgenommen, drei Stunden am Tag zu malen - alles -, was, war ganz egal. Und die Zeit mußte ich in einem kleinen 25-Cent-Buch aufschreiben. Und für jede Minute, die ich weniger als drei Stunden gemalt hatte, mußte ich dreimal so lange etwas machen, was ich nicht mochte - Abwaschen zum Beispiel. Wir waren der Meinung, daß ich eine Phobie gegen das Malen hätte, und da mein Typ Behaviorist war, wollte er eine Gegenphobie aufstellen -«
»Und jetzt hast du auch noch eine Phobie gegen Abwaschen?«
»Jedenfalls.« Im Halbdunkel runzelte sie die Stirn gegen seine Haut. »Ich verließ morgens seine Praxis und fing gleich am Nachmittag an. Ich war sehr aufgeregt. Ich dachte, jetzt würde ich in alle möglichen Bereiche meines Unbewußten vordringen, wenn ich jetzt malte . . . was immer das heißen mag. Bis zum dritten Tag hielt ich es durch. Dann war ich zwanzig Minuten zurück. Aber ich konnte mich nicht durchringen, zwei Stunden Geschirr zu spülen.«
»Wieviel Geschirr hast du denn?«
»Ich sollte sauberes abwaschen, wenn kein Schmutziges mehr da war. Am nächsten Tag war es wieder okay. Ich konnte nur die Bilder nicht leiden, die dabei herauskamen. An dem Tag danach habe ich, glaube ich, überhaupt nicht gemalt. Das stimmt. Jemand kam vorbei und wir sind zu Poes Cottage gegangen.«
»Warst du schon mal in Robert Louis Stevensons Haus in Monterey?«
»Nein.«
»Er hatte dort nur ein paar Monate lang ein Zimmer gemietet und wurde schließlich hinausgeworfen, weil er die Miete nicht bezahlen konnte. Jetzt nennen sie es Stevenson-Haus, und das ganze ist ein Musem über ihn.«
Sie lachte. »Jedenfalls, am nächsten Tag sollte ich zu dem Typen. Und berichten, wie es lief. In dieser Nacht habe ich angefangen, die Bilder zu betrachten. - Ich nahm sie hervor, weil ich dachte, auf diese Weise könnte ich Zeit zum Malen schinden. Dann sah ich, wie schrecklich sie waren. Plötzlich überkam mich die absolute Wut. Und habe sie zerrissen - zwei große, ein kleines und ungefähr ein Dutzend Zeichnungen. In tausend Stücke. Und hab' sie weggeworfen. Dann habe ich sämtliches Geschirr im Haus abgewaschen.«
»Shit. . . « Über ihren Kopf hinweg runzelte er die Stirn.
»Danach habe ich noch ein bißchen gezeichnet, aber zu malen habe ich eigentlich da aufgehört. Ich habe gemerkt, wie - «
»Das hättest du nicht tun sollen«, unterbrach er sie. »Das war schrecklich.«
»Es ist Jahre her«, entgegnete sie. »Irgendwie war es kindisch. Aber ich -«
»Es macht mir Angst.«
Sie sah ihn an. »Es ist Jahre her.« In der grauen Dämmerung war ihr Gesicht grau geworden. »Wirklich.« Sie wandte sich ab und fuhr fort: »Aber etwas habe ich gemerkt. Bei Kunst
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