Dhalgren
geschnitten.«
»Huh?«
»Tak hat eine Orchidee. Ein richtiges Schmuckstück. Aus Messing. John hatte sie und schnitt sie einfach so ins Bein. Es war . . .« Er holte Luft. »Schrecklich. Sie hatte schon vorher da einen Schnitt. Ich weiß nicht, aber er wird so vielleicht seine Spannungen los. Ich kann das verstehen. Aber er schnitt -«
»Weiter.«
»Deine Beine. Du hast keinen Schnitt oder Kratzer.« Er atmete aus und fühlte, wie sie an seiner Brust die Stirn runzelte. »Aber sie hat er geschnitten.«
»Das hast du gesehen?«
»Sie stand da. Und er saß. Und plötzlich griff er hinüber und schlitzte an ihrem Bein entlang. Wahrscheinlich nicht besonders tief. Er hatte das schon mal gemacht. Vielleicht bei jemandem anders. Glaubst du, er hat es schon mal bei jemand anders gemacht -?«
»Ich weiß es nicht. Warum regt es dich so auf?«
»Ja . . . nein, ich meine. Ich war schon aufgeregt. Ich meine .. . weil . . .« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Es ist, als sei da etwas sehr Wichtiges, an das ich mich nicht erinnern kann.«
»Dein Name?«
»Ich weiß nicht einmal ... ob es das ist. Es ist nur . . . sehr verwirrend.«
Sie streichelte ihn weiter, bis er ihre Hand ergriff und festhielt.
Sie sagte: »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich es doch nur wüßte. Irgend etwas geht mit dir vor. Es tut nicht gut, es mit anzusehen. Ich weiß nicht, wer du bist, und ich mag dich sehr. Das macht es nicht leichter. Du hast aufgehört, für die Richards zu arbeiten. Ich hatte gehofft, daß dadurch einiger Druck verschwindet. Vielleicht solltest du einfach gehen. Ich meine weggehen . . .«
Der Wind fuhr laut durch die Blätter. Aber es war sein Kopfschütteln, das sie zum Schweigen brachte. Laut ging der Wind weiter.
»Was war da . . . warum waren sie alle da! Warum hast du mich dorthin genommen?«
»Huh? Wann?«
»Warum hast du mich heute abend dorthin mitgenommen?«
»Zur Kommune?«
»Aber siehst du, du hattest einen Grund, ich verstehe nur nicht was es war. Es würde auch keine Rolle spielen.« Er streichelte ihre Wange, bis sie seinen Daumen mit den Lippen fing. »Es würde keine Rolle spielen.« Unbestimmt Angst machte ihn steif, und er begann fester und fester gegen ihre Schenkel zu pressen.
»Ich habe dich nur mit dorthin genommen, weil -« und der laute Wind und seine sich überstürzenden Gedanken löschten es aus. Als er den Kopf schüttelte und wieder hören konnte, strich sie über sein dickes Haar und murmelte: »Schhhhh . . . versuch dich zu entspannen. Ruh dich aus, nur ein bißchen . . .« Mit der anderen Hand zog sie die grobe Decke hinauf. Unter Schulter und Ellenbogen war der Boden hart.
Er stützte sich darauf, während sie taub wurden, und spielte mit seiner Erinnerung.
Plötzlich sah er sie an. »Weißt du, du versuchst zu helfen, aber was du . . .« Er fühlte, wie jede Sprache unter dem Schweigen zusammenstürzte.
»Aber was denke ich wirklich darüber«, rettete sie ihn. »Ich weiß es nicht - nein, ich weiß.« Sie seufzte. »Das meiste ist nicht sonderlich gut. Vielleicht geht's dir wirklich dreckig, und da ich dich erst kurz kenne, sollte ich mich jetzt da raushalten. Und dann denke ich wieder: Hey, das ist mal eine gute Sache, wenn ich mir nur ein bißchen Mühe gebe, kann ich vielleicht wirklich helfen. Manchmal denke ich, daß es an dir liegt, daß ich mich gut fühle - das verletzt mich am meisten. Weil ich dich dann ansehe und erkenne, wie verletzt du bist, und ich kann nichts dagegen machen.«
»Er . . .« er schleppte sich aus überfluteten Ruinen, »ich . . . weiß nicht.« Er wünschte, sie würde fragen, was er mit »er« meinte, aber sie seufzte nur an seiner Schulter. Er sagte: »Ich möchte dich nicht erschrecken.«
Sie sagte: »Ich glaube doch. Ich meine, es ist schwer, nicht zu denken, daß du versuchst, mir einfach heimzuzahlen, was jemand anders dir angetan hat. Und das ist fürchterlich.«
»Tu ich das?«
»Kidd, wenn du weg bist, irgendwo anders, wenn du arbeitest oder herumläufst, an was erinnerst du dich, wenn du an mich denkst?«
Er zuckte mit den Schultern. »Viel so was. Viel an Umarmungen und Reden.«
»Yeah«, und er hörte, wie ein Lächeln ihre Stimme färbte, »das ist ja auch das Schönste. Aber wir machen auch andere Sachen. Denk auch daran. Das ist grausam von mir, dich darum zu bitten, wenn du in einem solchen Zustand bist, nicht? Aber es gibt so viel, was du nicht siehst. Du läufst durch eine Welt voller Löcher, du
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