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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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mit mächtigen, wiegenden Schultern, langen, schwingenden Armen. Einige blickten sich um. Zehn Schritt weiter begannen ein Mädchen, die entweder weiß oder schwarz war, und ein großer schwarzer Junge laut zu lachen. Dann ragte ein Leguan, wie zu schnell aufgeblasen, als daß man es hätte sehen können, leuchtend und durchsichtig im grauen Licht auf. Dann ein Pfau. Dann eine Spinne. Die Skorpione wanderten durch die Bäume.
    »Was zum Teufel«, fragte Kidd, »sollte das?« Er fühlte an seinen Hals, wo jetzt drei Ketten hingen: die optische, der Projektor und die neue - die schwerste.
    »Alptraum setzt es sich manchmal in den Kopf, bestimmte Leute zu bekommen . . .«
    Ihr Tonfall ließ ihn aufblicken.
    » . . . bestimmte Leute in sein Nest zu bekommen.« Sie wühlte in der Decke und tauchte mit der Harmonika wieder auf, legte sie nieder und wühlte weiter.
    »Er wollte dich schon mal, huh? Was ist mit Phil?«
    »Ich habe dir doch gesagt, er war eine Zeit vor dir mein Freund.«
    »Wie war er?«
    »Er war schwarz, ziemlich clever, irgendwie nett, irgendwie bieder. Er war hier, die Szene checken, so wie du . . .« Die letzten Worte klangen gedämpft. Er sah zu ihr hin: Oben aus der Bluse tauchte ihr Kopf auf. Den unteren Teil zerrte sie über die zitternden Brüste. »Bei Calkins ist er nicht so gut angekommen. Auch nicht bei Alptraum.«
    Die Kante der Wolldecke wurde durch die darunterliegende Orchidee ausgebeult. Als Kidd danach griff, bemerkte er am anderen Ende der Wiese einen riesigen Fleck verkohlten Grases. Rauch kräuselte sich am Rand. Das war vorher nicht dagewesen. Er runzelte die Stirn. Bestimmt nicht.
    »In der Kommune mochten sie ihn, glaube ich. Aber er war einer von diesen Leuten, die man schnell leid wird.« Er hörte das Scharren ihres Jeansreißverschlusses. »Alptraum ist komisch. Es ist süß, daß er fragt. Ich kann mich aber einfach nicht richtig auf ihn einstellen. Auf niemanden.«
    Kidds Hand glitt in den Orchideenpanzer und schnallte ihn fest. Der Brandgeruch war sehr stark. Er spreizte die abgekauten, breiten Knöchel, bog seine narbigen, tauben Finger.
    - kitzelte an seiner Schulter.
    Er sprang auf, wirbelte herum und duckte sich.
    Das Blatt rollte von seiner Schulter, fiel gegen sein Knie, taumelte zu Boden . . . keuchend und mit klopfendem Herzen blickte er an dem geneigten Baumstamm hoch, über den breiten Ansatz eines größeren dicken Astes, auf kahle Zweige, auf Zweige mit zerfetzter Rinde überkreuzte Ästchen, die wie Risse den Himmel durchzogen.
    Feuchtigkeit entstand auf seiner Haut. Ihm wurde kalt.
    »Lanya . . .?«
    Er blickte sich auf der Lichtung um, dann zurück auf die Decke. Sie hatte keine Zeit gehabt, ihre Tennisschuhe anzuziehen!
    Aber ihre Schuhe waren verschwunden.
    Er ging um den Baum herum, runzelte die Brauen, blickte über das verkohlte Gras und die anderen Bäume, blickte wieder auf den neben ihm.
    Mit der Orchidee und der Kette fühlte er sich plötzlich viel nackter als beim Aufwachen mit Lanya mitten im Kreis der Skorpione.
    Sie ist zurück zur Kommune gegangen, dachte er. Aber warum so schnell? Er versuchte sich an den merkwürdigen Tonfall ihrer Stimme zu erinnern. Wut? Das war albern. Er faßte an die Kette, die ihm Alptraum um den Hals gelegt hatte. Das war albern.
    Aber er stand eine lange Zeit da.
    Dann - und sein Körper bewegte sich jetzt in vollständig anderem Rhythmus - ging er auf den Baum zu, tat noch einen Schritt, einen dritten, und sein Fuß berührte eine Wurzel. Er beugte sich vor, drückte das Knie gegen die Rinde, den Bauch, Brust, Wangen. Er schloß die Augen, hob den beketteten Arm so hoch in die Luft wie er nur konnte und preßte die Finger an den Baum. Tief atmete er den Holzgeruch ein und schmiegte seinen Körper an den gebogenen Stamm. Rauh kratzte die Rinde an der Stelle zwischen Penis und Hoden, rauh am Knöchel, rauh am Kiefer.
    Aus beiden Augen rann ihm Wasser. Er öffnete sie ein wenig, aber schloß sie schnell wieder vor den Verzerrungen.
    Mit der bewaffneten Hand - der Trieb, die Orchidee bis ans Heft hineinzujagen, kam und ging wieder wie das Nachbild eines Scheinwerfers - bewegte er sanft die Klingen über die Borke. Er drehte die Hand nach einer, nach der anderen Seite, lauschte den verschiedenartigen, schabenden, scharrenden Geräuschen und streichelte wieder und wieder den Baum.
    Als er sich abstieß, hing am Brusthaar und Schamhaar Borke. Seine Knöchel brannten. Ebenso sein Kiefer. Er rieb sich mit der Handfläche übers

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