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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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rausgerissen?« fragte Milly.
    »Ich habe es so gefunden.«
    »Aber du kannst die Reste an der Drahtspirale sehen.« »Ordentliche Handschrift.« »Kannst du was entziffern?«
    »Nicht bei diesem Licht. Ich hab' bei der Parklaterne ein bißchen gelesen. Laßt uns damit zum Feuer gehen.«
    Die Seite, auf die er starrte, zitterte im Gegenlicht, der Druck beider Seiten war sichtbar. Alles, was er entziffern konnte waren die Frakturlettern der Überschrift:
     
    BELLONA TIMES
     
    Und darunter:
     
    Roger Calkins
    Herausgeber und Verleger
     
     
    Er schlug die Zeitung zu.
    Die Mädchen waren zur Feuerstelle gegangen.
    Er stand auf, ließ die Zeitung auf der Bank liegen, machte einen Schritt, noch einen, über drei Schlafsäcke und ein Deckenbündel. »Was steht drin?«
    Sie hielt die Harmonika immer noch in der Faust.
    Ihr Haar war kurz und dicht. Ihre Augen, wenn sie ihn direkt ansahen, waren flaschengrün. Sie stopfte das Buch in die Armbeuge, blätterte mit der freien Hand zurück und zeigte es ihm. Reste von grünem Nagellack sprenkelten ihre Fingernägel.
    In musterhafter Handschrift stand ein halber Satz in der obersten Reihe:
    um die herbstliche Stadt zu verwunden
    So schrie ich in die Welt, um ihm einen Namen zu geben.
    Es fuhr ihm in die Seiten . . .
    Das im dunkeln Bleibende antwortete mit dem Wind.
    Alles, was ihr kennt, kenne auch ich: gleichgewichtslose Astronauten und Bankangestellte, die gelangweilt vor der Mittagspause auf die Uhr blicken; Schauspielerinnen, die sich vor den lampenbesetzten Spiegel kauern und Lastenaufzugführer, die eine Stahlkurbel mit einem Daumenvoll Schmiere einfetten; Studenten - Sie ließ das Notizbuch sinken und sah ihn an, zwinkernde grüne Augen. Haarsträhnen schüttelten Schattenfetzen auf ihre Wangen. »Was ist los mit dir?«
    Sein Gesicht spannte sich zu einem halben Lächeln. »Das ist bloß . . . nun ja, ganz schön verrücktes Zeug.«
    »Was ist daran verrückt?« Sie schloß das Buch. »Du siehst absolut komisch aus.«
    »Tu ich nicht . . . aber . . .« Sein Lächeln war wohl nicht richtig. Was da verdrängt werden sollte, lag am dritten Punkt eines Dreiecks, dessen Grundpunkte Erkennen und Unbegreiflichkeit waren. »Es war nur so . . .« Nein, fang noch mal an. »Aber es war so . . . Ich weiß eine Menge über Astronauten, ich meine, ich hab' immer die Zeiten für die Satelliten nachgesehen und bin dann nachts raus und habe sie beobachtet. Und ich hatte einen Freund, der Bankangestellter war.«
    »Ich kannte jemanden, der in einer Bank arbeitet«, sagteMilly. Dann, zu dem anderen Mädchen: »Du nie?«
    Er sagte: »Und ich hatte mal einen Job beim Theater. Es war im zweiten Stock, und wir mußten immer Sachen im Lastenaufzug hochtransportieren . . .« Diese Erinnerungen waren so einfach zurückzurufen . . . »Ich habe an ihn - den Lastenaufzugführer-heute abend schon einmal gedacht.«
    Sie sah immer noch verwirrt aus.
    »Es war mir einfach sehr vertraut.«
    »Nun, yeah . . .« Sie fuhr mit dem Daumen über die glänzende Harmonika. »Ich muß mindestens einmal in einem Lastenaufzug gewesen sein. Hölle, es war bei einer Schulaufführung, und um den Spiegel in der Garderobe waren Lampen. Das ist es aber nicht, warum es verrückt ist.«
    »Aber der Teil über die Studentenunruhen. Und die Bodegas ... ich war gerade in Mexico.«
    »Da steht aber überhaupt nichts von Studentenunruhen.«
    »Doch. Ich war mal bei einer Studentendemo. Ich zeig's dir.« Er griff nach dem Buch, (sie zuckte heftig vor der Orchidee zurück), breitete ihre freie Hand über der Seite aus (sie beugte sich wieder nach vom, ihre Schulter berührte seinen Arm. Er konnte in dem offenstehenden Hemd ihre Brust sehen. Yeah) und las laut vor
    »>. . . Daumenvoll Schmiere einfetten. Studenten-Happenings mit spaghettigefüllten Volkswagen, Dämmerung in Seattle, automatischer Abend in L.A.«<  Er sah verwirrt hoch.
    »Du bist in Seattle und Los Angeles gewesen? Tag und nachts?« Ihr grünäugiges Lächeln neben den Flammen.
    »Nein . . .«Er schüttelte den Kopf.
    »Ich aber. Aber das ist immer noch nicht verrückt.« Sie runzelte über sein Stirnrunzeln die Stirn, immer noch flackernd. »Es ist nicht über dich. Es sei denn, du hast es im Park fallen gelassen ... Du hast es nicht geschrieben, oder?«
    »Nein«, sagte er, »nein, hab' ich nicht.« Verlorenheit (es war stärker und eigenartiger als jedes andere deja-vu gewesen), dieses Gefühl verfolgte ihn. »Aber ich hätte schwören können, daß ich es

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