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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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er alle auf einmal beobachten konnte, und daß er der einzige Nicht-Schwarze im Bus war. Er beschloß, den alten Mann fallenzulassen und setzte sich in die vorletzte Reihe.
    Wo gehe ich - aber konnte nicht denken: hin? Er blickte über die Stangen über den Sitzen zu den stumpfen Nasen und Lippen, dem scharfen Kinn unter der welligen Kugel.
    Er betrachtete die Gebäude, die sie beobachtete, wie sie in zielloser Bewegung vorbeistürzten.
    Sie zwinkerte.
    Er war nur bei den Kreuzungen nervös und mußte den absurden Wunsch unterdrücken, den Fahrer nach der Richtung zu fragen. Die spontane Handlung war ja sicher, da eine sichere Rückkehr zu erwarten war. Wieder bog der Bus ab, und er versuchte, das Gefühl zu genießen, daß er die Orientierung verloren hatte. Aber sie fuhren parallel zu der ersten Strecke.
    Sie kamen an einer verlassenen Straßenbaustelle vorbei. Nur einer der Sägeböcke war zerbrochen, aber aus einem Lastwagen mit platten Reifen quollen Kabel und rollten sich über das Pflaster.
    Er entspannte seinen Bauch und wunderte sich, daß diese Überreste eines Desasters ihn immer noch aufregten.
    Nach den zerbrochenen Schaufenstern eines Armee-Marine-Ausrüstungsladens kamen Kinoanzeigen: Kein Buchstabe in der ersten Zeile, ein einzelnes »r« in der zweiten, das einzige, was er in der nächsten entziffern konnte war: Drei Sternchen in der Times. In der nächsten standen R, O und T übereinander, nach E, Q und U kamen drei weitere Buchstaben und dann ein Y. Er überlegte die Bedeutungen und fingerte nach der Spirale seines Notizbuches, stieß jedoch nur mit dem Knöchel gegen die Klingen.
    Auf einer sechs mal sechzehn Fuß großen Anschlagtafel stand George Harrison nackt vor einer großen Mondscheibe. Er reckte den Kopf, um die Nacht zu durchspähen oder zu heulen oder zu fluchen. Der Schwarze war nur durch einzelne Glanzstellen hier und dort zu erkennen und stand auf der linken Seite. Die rechte Hälfte des Posters war mit nächtlichem Wald bedeckt.
    Kid drehte sich halb auf seinem Sitz herum, um es zu betrachten, dann wandte er sich wieder dem Bus zu, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sich die anderen umdrehten. Er legte die Fäuste zwischen seine geöffneten Schenkel auf den Sitz, beugte sich nach vorn, grinste und ließ den Kopf zwischen den nach vorn hängenden Schultern baumeln.
     
    ECKW'S
    SR            OGS
    ND
    TEGTTA           Y
     
    stand auf der nächsten Anzeige. Er sah die zerbrochenen Schaufenster - in einem war ein Stapel nackter Gummipuppen. Die Straße wurde breiter. Einmal wälzte sich Rauch heran, so daß er auf der letzten Anzeigetafel überhaupt keine Buchstaben ausmachen konnte.
    Wo gehe ich hin? fragte er sich und dachte, es seien bloß Worte. Dann kamen die Echos: Ein Schauder fuhr ihm den Rücken herab, seine Zähne schlugen aufeinander, öffneten sich hinter geschlossenen Lippen und tanzten und klickten durch die Motorvibration. Er suchte nach Schatten, fand aber in dem dämmrigen Bus keinen, auch nicht auf den bleichen Straßen. Suchte also, welche Glanzstellen sein eigener Körper mit dem Nervenraster auffing. Keine hier: Wo er eine Erinnerung an ihr Gesicht aufstöbern konnte: gefleckt und stückweise, wie durch Blätter hindurch beleuchtet. Er versuchte, über seinen Verlust zu lachen. Nein, nicht deswegen, oh, nein. Es ist der Wein: Himmel, dachte er, wo sind sie alle hingegangen? Hinter ihm stöhnte der alte Mann im Schlaf. Er blickte aus dem Fenster.
    Auf der sandfarbenen Wand blitzten Goldbuchstaben (zuerst las er sie von unten nach oben):
     
    E
    M
    B
    O

R
    I
    K
    Y
     
    Nur ein Schaufenster war zerstört. Man hatte Bretter darübergenagelt. Zwei andere waren mit Planen abgedeckt. In einem anderen lief ein Sprung von einer Ecke zur anderen.
    Kid zog an der ausgefransten Deckenschnur, hielt sich dann an der Stange über der Rücklehne fest, bis der Bus an der nächsten Ecke zu seiner Überraschung anhielt. Er sprang von der hinteren Plattform auf den Randstein und drehte sich um: Durch das schmutzige Fenster sah er das Paar, daß ihn beim Einsteigen nicht angesehen hatte und jetzt wegblickte. Der Bus fuhr weiter.
    Er stand schräg gegenüber dem sechs, sieben, acht Stockwerke hohen Warenhaus. Unsicher drückte er sich in einen Eingang (Leute mit Gewehren, hey?) Er fühlte nach seiner Orchidee - sah sie an. Es war eine alberne Waffe. Leute, die aus dem Fenster schießen? Einige, weiter oben, standen offen.
    Andere waren zerbrochen. Aus einem

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