Dhalgren
Kanalgitter auf der anderen Straßenseite quoll eine Rauchwolke. Warum, dachte er, bin ich hier draußen? Vielleicht waren die Leute da drin alle gegangen, und er konnte einfach die Straße überqueren und - Die Haut auf seinem Rücken und Bauch kräuselte sich. Warum war er hier ausgestiegen? Es war eine Reaktion auf irgendein unbestimmtes, embryonales Gefühl, und er war aus dem Bus gesprungen. Und jetzt war es geboren, und es war Terror.
Geh über die Straße, Motherfucker, sagte er sich. Geh nah an das Gebäude ran, und sie können dich von oben nicht sehen. Hier kann dich jemand einfach aufs Korn nehmen und abknallen, wenn er Lust dazu hat. Er sagte sich noch andere Dinge.
Eine Minute später ging er zur gegenüberliegenden Ecke. Ein Schritt zur Seite wegen des Hydranten, hielt an, mit der Hand an den sandfarbenen Stein gelegt, holte tief, langsam Luft und lauschte seinem Herzschlag. Das Gebäude zog sich über den ganzen Block. In der Seitenstraße waren keine Schaufenster. Außer von der Eingangstür konnte er von keiner Stelle in dem Laden gesehen werden. Er blickte die Avenue hinab. (Aus den restlichen Buchstaben auf der zerbrochenen Schaufensterscheibe konnte er erkennen, daß es ein Reisebüro gewesen sein mußte. Und da unten . . .? Ein Bürogebäude vielleicht? Brandflecken lappten wie große Kohlezungen an den unteren Stockwerken hinauf.) Die Straße wirkte sehr breit - aber wahrscheinlich, weil keine Autos am Bordstein standen.
Er ging die Seitenstraße hinunter, ließ die Hand über den Stein gleiten und blickte gelegentlich hinauf, um nach imaginären Gewehrläufen aus den Fenstern Ausschau zu halten, die auf ihn zielten.
Da ist niemand drin, dachte er.
Da kommt auch niemand hinter mir her -
Am Ende des Blocks - bewegte sich etwas? Nein, es war ein Schatten zwischen zwei geparkten Wagen.
»Hey«, sagte eine Stimme direkt auf der anderen Seite der Straße ziemlich leise.»Was zum Teufel tust du da, huh?«
Er stieß mit der Schulter an die Wand, löste sich, rieb sie.
Hinter einer Metalltür auf der anderen Seite schob sich eine fleischige Schulter hervor. »Bleib ruhig!« Alptraums Gesicht tauchte halb auf. Kid sah seinen halben Mund reden: »Wenn ich bis drei zähle, dann bist du hier drüben, aber so schnell, daß ich keinen Rauch sehe. Eins, zwei . . .« Das sichtbare Auge hob sich auf irgendeinen Punkt in der Wand des Warenhauses, sah wieder hinab. »Drei.«
Alptraum fing Kids Arm auf, und die Erinnerung an die Überquerung des Pflasters wurde durch Schürfungen an Rücken, Knie und Kinn ausgelöscht. »Hey, Mann, du mußt nicht - « Alptraum zog ihn durch den Türspalt.
Er befand sich in Vierfünftel-Dunkelheit und hörte viele Leute atmen.
»Gottverdammt«, sagte Alptraum. »Ich meine, Jesus Christus.«
Er sagte: »Du mußt mir nicht den Schädel einschlagen«, sanfter, als er begonnen hatte.
Eine sehr schwarze Person mit Vinylweste lachte laut. Einen Moment dachte er, es sei Drachenlady, aber es war ein Mann.
Alptraum gab einen mißbilligenden Ton von sich. Das Lachen brach ab.
Alptraums narbige Schulter (das erste, was Kid sah, als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten) verdeckte Dennys Gesicht halb, so wie die Tür Alptraums halb verdeckt hatte. Die anderen Gesichter waren dunkler. »Findest du nicht?« Alptraum hielt immer noch Kids Arm. Mit der anderen griff er nach Kids Haar. »Hey!« Und drehte ihn um 180 Grad. Kids Gesicht stieß an Draht vor einer schmutzigen Scheibe, und dahinter war -
»Und jetzt sieh hoch.«
Kid blickte hinter der schmutzigen Scheibe auf den zweiten Stock des Warenhauses. »Kannst du gut sehen?«
- war ein Fenster, auf der Goldbuchstaben halbrund: Neue Mode ankündigten. Und dahinter ein Mann mit einem Gewehr in der Hand, der sich seinen dünnen Hals in dem zu großen Kragen seines blauen Sporthemdes kratzte und dann weiterschlenderte.
»Und was zum Teufel« - sanfter, »machst du hier?« Alptraum zerrte Kids Kopf vom Fenster weg, bevor er losließ. »Komm schon, heraus damit.«
»Ich« - Schmerz und nackte Angst saßen in ihm - »bin so vorbeigekommen und . . .« Der Schmerz ließ nach.
»Ich sollte dir den Schädel aufschlagen, weißt du.«
»Hey, Mann, du . . .«
»Halt den Mund, Copperhead«, sagte Alptraum.
In einer Ecke lehnte der große, bärtige, rothaarige Spade.
»- du mußt das doch nicht selber tun«, endete er. »Ich mach's für dich, wenn du willst.« Er nickte Kid in gedämpften Wiedererkennen zu. »Überlaß ihn
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