Dhalgren
du denn hinaus?«
»Was meinst du?« Alptraums Unterarme glitten übereinander und verknoteten sich.
»Ich meine dich. Und Drachenlady und so. Wie kommt's, daß ich hier plötzlich den Boß mime?«
»Du machst es ziemlich gut.«
»Aber ich will wissen warum.«
»Weil . . .« Alptraum blickte zu Boden und ließ sich gegen den Türpfosten fallen. »Jemand muß es doch tun.« Unter ihnen knarrten Dielen.
»Aber was ist mir dir?« Wieder knarrte der Fußboden, obwohl sich Alptraum nicht bewegt hatte.
»Was willst du von mir wissen?«
»Nur warum, das ist alles. Ihr wollt einen neuen Boß - warum nicht einen der Afros? Ich meine, was ist denn mit dir?«
Die Wasserlache im Spülstein zitterte unter dem verkrusteten Hahn.
»Ich dachte, es wäre ganz interessant, wenn einer von euch cleveren, irren Typen die Sache mal eine Zeitlang macht. Die cleveren Nigger in Bellona waren alle schlau genug, abzuspringen. Wir haben keine große Auswahl, daher müssen wir es interessant machen. Ich werde doch nicht den Rest meines Lebens in diesem Scheißnebelloch verbringen. Ist ganz schön heiß, Alptraum zu sein, weißt du. Aber ich gehe zurück nach St. Louis, schaff mir ein kleines ausländisches Auto an, arbeite ein bißchen an meinen Muskeln und lasse ein oder zwei Pferdchen für mich rennen, und dann bin ich wieder Larry H. Jonas. Und ich hoffe, ich höre dann nie wieder was über Alptraum. Wenn jemand das auf der Sechsten Straße ruft, drehe ich mich um und gehe die Olive Street hinunter. Ich habe hier zuviel gemacht. Deshalb bleibe ich auch nicht mehr lange.« Er stand auf. »Du bist den Alptraum los, und ich bin wieder wer. Ich kenne einige Leute, in St. Louis.« Seine Hand glitt zur Schulter, die großen Finger bewegten sich. »Da habe ich mir gedacht, du bleibst für mich hier. Außerdem mag dich Denny. Dieser kleine Arschficker hat ein helles Köpfchen. Nicht so wie diese dämlichen Nüsse. Du siehst nicht so aus, als hättest du etwas dagegen.« Zwischen den Verbindungselementen auf seiner Brust fingen die leuchtenden Kugeln mehr Licht, als eigentlich vorhanden war, zwinkerten, verlöschten und blinkten.
»Hey, diese Narbe da auf deiner Schulter?« fragte Kid. »Du und Drachenlady, ihr kommt doch prima klar?«
»Wie eine Hexe. Manchmal.« Alptraums Gesicht verzerrte sich eine Sekunde lang um den abgebrochenen Zahn herum. »Und dann wieder« - er runzelte die Stirn -, »nun, du weißt schon.« Nach drei weiteren Tropfen aus dem Hahn wandte er sich zum Gehen, hielt jedoch inne und blickte über die Schulter. »Willst du noch über was anderes reden?«
»Nein«, gab Kid zurück. »Das war alles.«
Alptraum ging.
Auf der anderen Seite des Flurs war eine Tür, die Kid noch nie geöffnet hatte. Er ging hinüber.
Dollar, eine Silhouette vor dem zerrissenen Rollo, drehte sich um. An seiner Hüfte blickte der Löwe von der Fensterbank. Der verbrannte Geschmack hinten auf Kids Zunge flutete nach vorn, wurde zu einem erstaunlichen Gestank: Eine der herumliegenden Matratzen war wie ein angesengter Heiligenschein um einen Krater aus Asche und verkohlter Baumwolle. An einer Wand klebten Zeitungsausschnitte und Fotos aus Magazinen; viele waren wieder abgerissen.
Einer der drei Schwarzen auf dem Boden blickte ihn an. Das kleine blonde Mädchen ruckte ihr erbsenfarbenes Jäckchen zurecht und zog es über die Brust.
»Was macht ihr . . . ich meine . . . hey, Mann . . .?« Unsicher trat Dollar nach vorn. »Kid, sieh mal, du sollst doch in Ordnung sein. Du tust mir doch nicht weh, oder? Bitte! Mann, ich habe noch nie vorher so etwas gemacht . . . Du willst mich . . .?« Er ging noch einen Schritt. »Hey . . . was willst du denn machen? Huh?« Seine Hand fuhr über die Ketten um seinen Hals, drehte sie.
»Was immer es sein mag«, sagte Kid. »Es sieht so aus, als täte ich es.« Alle Muskeln in seinem Gesicht verspannten sich. Er ging zurück in den Flur.
Aus dem Vorderzimmer drang Lärm. Man hörte Alptraums Lachen. Drachenladys vermischte sich damit.
Als seien sie plötzlich brennend heiß geworden, stieß Kid plötzlich unter seiner Weste in den Gürtel und zog die Bücher heraus. Beide waren zerknickt. Der Umschlag des einen war zerknittert und schmutzig. Ebenso der Rücken des anderen.
»Hey, komm schon, komm schon, Schätzchen!« brüllte Alptraum. »Was hast du mit mir vor, huh? Was willst du . . .« und explodierte vor Lachen.
»Ich wollte nur fragen«, verkündete Drachenlady mit hysterischer Langsamkeit, »ob du
Weitere Kostenlose Bücher