Dhalgren
woher.
»Ich bin ein Freund von Lanya. Ich möchte sie sehen.«
Das Guckloch verdunkelte sich. »Eine Sekunde.«
Die Tür öffnete sich. »Ich habe Ihre Stimme erst nicht erkannt«, sagte Madame Brown. »Wie geht es Ihnen, Kid?« Sie sah auch Denny. »Hey, nett, Sie wiederzusehen . . . Denny, stimmt's?« Ihr Hals glitzerte.
»Lanya wohnt bei Ihnen?« Kid war schockiert, wußte jedoch nicht warum.
»Um-hm. Warum kommt ihr nicht herein?«
Irgendwo im ersten Stock bellte Muriel.
»Still!« kommandierte Madame Brown in die Luft. »Still!«
Der Hund bellte noch dreimal.
»Kommen Sie, kommen Sie. Ziehen Sie die Tür hinter sich zu. Sie schließt von selber.«
Sie folgten ihr die Treppe hinauf.
»Ich glaube«, ließ sie hinter sich fallen, »Lanya schläft. Trotz der Schule haben wir beide die größten Schwierigkeiten, uns an irgendeinen Zeitplan zu halten. Ich weiß nicht, wann sie schlafen gegangen ist. Ich glaube, es war ziemlich spät.«
»Sie wird mich aber sehen wollen«, sagte Kid. Hinter Madame Browns dickem rotem Haar runzelte er die Stirn.
»Oh, sicher.«
Sie überquerten den ersten Treppenabsatz.
Muriel war jetzt zu sehen. Sie bellte wieder.
»Still. Sei jetzt ruhig! Das hier sind Leute, Schätzchen. Es sind Kid und Denny! Du hast beim letzten Mal stundenlang mit Denny gespielt. Führ dich bitte nicht so auf.« Sie tätschelte die Schnauze des Hundes; Muriel beruhigte sich. »Habe ich gesagt, Lanya schliefe? Jetzt möchte ich das bezweifeln. Schlimmer Hund! Schlimm!«
Denny blickte nach oben, unten und allen Seiten - nicht wie jemand, der stundenlang dort gespielt hat. Überall Kerzenleuchter: Drei auf einem kleinen Tisch neben einem Portrait, ein vielarmiger eiserner in der Ecke, zwei auf der Fensterbank zwischen weißen Vorhängen, deren Weiß durch den Rauch draußen gedämpft wurde.
»Haben Sie hier Strom?« fragte Kid.
»In zwei Zimmern«, erklärte Madame Brown. »Oh, die Kerzen? Nun, wir sind so dicht bei Jackson, daß es besser ist. Für den Notfall.«
Zwei Zimmer weiter, unbeleuchtet: Eine Wand mit Büchern, ein Schreibtisch, ein Lehnstuhl.
»Das ist mein Büro«, erklärte Madame Brown auf Kids Blick hin.
Seine Blicke fielen auf weitere Kerzenleuchter im nächsten Zimmer. »Um . . . das ist wirklich eine schöne Wohnung.« »Hier in dieser Ecke gibt es eine Menge phantastischer Häuser, wenn man sich nur umsieht. Es ist nicht schwer, sie zu finden. Obwohl wir wohl mit diesem hier Glück gehabt haben. Die meisten Möbel standen schon hier.«
»Die Miete muß hier wahnsinnig sein«, sagte Kid. »Wenn man nichts gegen die Gegend hat.«
»Oh, wir zahlen keine -« Nach einem emotionslosen Augenblick (Kid blieb stehen, und Denny lief in ihn hinein) lachte sie laut und schrill auf. »Übrigens: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Buch. Mary Richards hat mir neulich ein Exemplar gezeigt. Sie erzählt einfach jedem, daß sie Sie kennt.«
»Yeah?« Sein Lächeln sollte zynisch wirken; doch die Freude verwandelte es in fröhliche, naive Ehrlichkeit. »Wirklich?«
»Sie liest den Leuten nach dem Essen laut daraus vor. Ich bin sicher, wenn sie zu Besuch kämen, würde Ihnen ein überschwengliches Willkommen bereitet.« Sie hob eine Augenbraue. »Wirklich.«
»Vielleicht von ihr«, meinte Kid. »Aber nicht von ihm. Glauben Sie nicht, diese Leute sind . . .?« und beschloß, als er sie ansah, nicht weiterzureden.
Aber sie ging ihm nach:
»Was hat doch dieser Schriftsteller, den ihr Jungen vor ein paar Jahren alle gelesen habt, gesagt: Das Problem ist nicht, Menschlichkeit zu lernen, sondern jene Vertreter der Menschen zu lieben, die um uns herum sind.«
Collected Poems 1930-1950, Stones, Piligrimage, Rictus, The Dynamic Moment, A Sense of Commencement und The Chai-terhouse of Ballarat, alle von Ernest Newboy standen zusammen mit zwei afrikanischen Statuetten Rücken an Rücken auf dem Schreibtisch. Die letzten drei Bände waren zusammen so dick wie die ersten vier.
»Nun, sie sind nicht um mich herum. Ich meine, ich spiele Ihre Freunde nicht gegen Sie aus. Ich habe auch ein paar sehr merkwürdige.«
»Ich habe nicht geglaubt, daß Sie das täten. Das ist einer der Gründe, warum ich Sie mag. Und sie haben auch mir noch nichts getan . . . noch nicht.«
Das »noch nicht« forderte ihn zu Möglichkeiten heraus. Er testete auch seine Zurückhaltung. Also fragte er: »Wie sind Lanya und Sie . . . hier zusammengekommen?«
»Oh, mit ihr kann man gut zusammenwohnen. Energisch. Lebhaft! Es ist
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