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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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von MESSING ORCHIDEEN. Er ließ sie auf der Treppe liegen und ging zur Ecke, als ein Geräusch, dessen er sich vage bewußt gewesen war, durch den Himmel brach: Donner. Und innerhalb des Getöses ein Heulen, wie ein Düsenjet direkt beim Aufstieg. Kid blickte hoch, als sich das Geräusch über ihm sammelte. Nichts war zu sehen. Er sah den Block entlang. Auch Faust, ein Figürchen in dem milchigen Aquarium, war stehengeblieben. Der Ton rollte leiser werdend weg.
    Faust ging weiter und verschwand.
    Kid ging zur Ecke.
     
    *
     
    Innerhalb des Nests ist es anders, dachte er, und überlegte, was gleich sein sollte:
    Die Kritzeleien auf der schmutzigen Wand -
    Die losen Deckenleitungen -
    In seiner Hand verkanteten sich die Knöchel, und ein gezahnter Schaft raspelte noch einen Zoll heraus -
    Aus dem mittleren Raum kam ein schwarzes Gesicht, sah wieder zurück, schüttelte den Kopf und ging zum Badezimmer. Aus anderen: Stimmen; Alptraums Lachen und:
    »Okay, ich meine: okay.« Das war Drachenlady. »Du hast deine Meinung gesagt. Was sollen wir jetzt tun?«
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    Und jemand anderes übertönte das Gesumme mit »hey, hey, hey komm schon! Hey!«
    »Ich meine . . . yeah!« Alptraums Stimme sonderte sich ab. »Was willst du?«
    Kid ging zur Tür.
    Auf der anderen Seite des Raumes begrüßten ihn Siam und Glas mit kurzen, verschiedenen Nicken. Kid lehnte sich an den Türpfosten. Die Leute in der Mitte, die ihm den Rücken zukehrten, waren keine Skorpione.
    »Ich meine« - Alptraum ging herum, bückte sich, um sich auf die Knie zu schlagen -, »was wollt ihr?«
    »Sieh mal.« John drehte sich um, um ihm zu folgen und hielt die Revers seiner peruanischen Weste. »Sieh mal, das ist sehr ernst.« Sein blaues Arbeitshemd war an den Armen hochgerollt; die Ärmel waren fleckig, schmutzig und an einem Ellenbogen ausgerissen. Seine Daumennägel, die allein sichtbar waren, waren sehr sauber. »Ich meine, ihr Typen müßt doch . . .« Er machte eine Handbewegung.
    Milly trat aus seiner Reichweite.
    »Müssen was?« Alptraum rieb seine Schulter. »Mensch, ich war nicht da. Ich habe darüber nichts gewußt.«
    »Wir waren woanders.« Drachenlady drehte eine weiße Tasse zwischen den schwarzen Händen, trank mit zusammengezogenen Brauen kleine Schlucks und beobachtete. »Wir waren nicht einmal in der Nähe, damit du's weißt.« Sie trank als einzige im Raum, trank laut.
    Mildred schüttelte rote Strähnen beiseite und sah viel älter aus als Drachenlady. (Er erinnerte sich, daß er einmal gedacht hatte, als keine von beiden zugegen war, sie seien im gleichen Alter.) Die Lippen Drachenladys wechselten ständig ihre Größe.
    »Das ist Shit!« Alptraum knetete seinen Arm. »Ich meine, das ist richtiger Shit, Mann! Lad diesen Scheiß nicht bei mir ab. Du willst mit jemandem reden« - seine Augen hoben sich bis unter die Brauen und erfaßten Kid -, »rede mit ihm. Er war da, ich nicht. Das war seine Sache.«
    Kid löste seine Arme aus der Verschränkung. »Was habe ich denn gemacht?«
    »Du« - Mildred wandte sich um - »hast jemanden umgebracht. «  
    Nach einigen Sekunden fühlte er, wie sich seine Stirn in Falten legte. »Oh, yeah?« Was sich in ihm löste, war verwirrenderweise mit Erleichterung verwandt. »Wann?« fragte er nach einem ruhigen, entgegengesetzten Gedanken: Nein, nein, das ist nicht möglich, oder? Nein!
    »Also«, sagte John und sah zwischen Alptraum und Kid hindurch. »Also, wir konnten doch immer miteinander reden, stimmt's? Ich meine, ihr seid doch ganz vernünftig, Alptraum, wir haben dir nie etwas Böses getan, oder? Kid, du hast die ganze Zeit immer bei uns gegessen. Du warst fast Teil der Familie. Wir haben dich in deiner ersten Nacht hier untergebracht, stimmt's? Aber ihr könnt nicht einfach dahergehen und Leute umbringen. Ich meine, wir müssen da etwas tun.«
    »Wen haben wir umgebracht?« fragte er und merkte: Sie meinen nicht mich! Sie meinen uns. Das Gefühl erschien kalt und wie ein Verlust.
    »Wally!« sagte Milly am Rande einer Hysterie. »Wally Efrin!«
    Der Name hinterließ absolut keinen Nachklang in seinem Kopf. Kid ließ in Gedanken die Kommune mit Bohnen- und Gemüseeintopf mit Dosenfleisch um das Schlackefeuer herumhocken; Wally Efrin? (Der Kurzhaarige, den er einmal gebeten hatte mit ihm Holz zu suchen und der Angst hatte, die anderen zu verlassen? Der andere, der zwischen ihm und Lanya gesessen und ununterbrochen von Hawaii geredet hatte? Der Dicke mit dem schwarzen Haar, auf dem er fast sitzen

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