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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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scheint.
    Aufgeschrieben ist daher eine Chronik von Vorgängen, die einen Bezug zum Ganzen haben, den sie bei Eintreten nicht besaßen; wieder ein falsches Bild, denn sie zeigen weder allgemein die Struktur des Lebens, noch die hervorstechendsten Muster.
    Das eine zu zeigen ist zu langweilig, das andere zu schwierig. Deshalb bin ich (weil ich mehr und mehr Papier benötige, um das Gefühl wieder zu bekommen, das ich hatte, als ich dachte, ich schreibe Gedichte) kein Dichter... mehr? Vielleicht verraten es die Gedichte jemand anderem, doch für mich sind sie so trocken wie die letzten Blätter, die von den verkohlten Bäumen auf Brisbane fallen. Es gab Momente, wo ich konzentriert genug war und über genügend Energie verfügte, eine Analogie aufzubauen, die die Sehweise vervollkommnete.
    Das dauerte so zwei Wochen? Drei?
    Ich weiß wirklich nicht, wann das passierte. Dazu brauchte ich noch einen derartigen Ausbruch. Alles, was mir geblieben ist, ist die erschöpfende Angewohnheit, zu versuchen, die Flaute in meinem Leben mit Worten wieder wettzumachen.
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    Der Bus hielt an. Der Fahrer drehte sich herum; einen Moment dachte ich, er würde den alten Mann anreden: »Ich kann Sie nicht weiter mitnehmen«, wobei er die Stange hinter dem Fahrersitz umklammerte und der Ellenbogen schief abgewinkelt in die Luft ragte. »Sie sind jetzt an dem Laden vorbei.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause; ich bedauerte das. »Hier ist es okay.«
    Hinter mir bewegte sich der Alte und schnüffelte.
    Ich stand auf und trat unter Georges Augen (und Knien und Händen und linkem Fuß und rechter Titte) auf die Plattform. Die
    Türen öffneten sich. Ich sprang auf den Randstein.
    Um einen Hydranten herum war das Pflaster aufgerissen. Es
    tropfte auf die Steine. Ich drehte mich um und beobachtete, wie
    der Bus wendete.
    Ein Mann trat aus einem Türeingang am Ende des Blocks.
    Oder eine Frau. Was/Wer auch immer es war, es war nackt.
    Glaube ich.
    Ich ging in diese Richtung. Die Gestalt ging wieder hinein. Ich kam an der zersprungenen Schaufensterscheibe eines Blumenladens vorbei. Zuerst überraschte mich das Grünzeug auf den schmalen Regalen. Aber es war aus Plastik - Farne, Blätter, Sträucher. In drei großen Kübeln in der Mitte standen lediglich Stümpfe. Hinten im Schatten, neben dem Aluminiumrahmen der Glastür bewegte sich etwas Großes, Fötales, Nasses. Ich sah es nur eine Sekunde lang im Vorübergehen. Bekam aber Gänsehaut.
    Der Grund, warum der Busfahrer nicht weiter den Broadway entlangfahren wollte, war, daß auf beiden Seiten der Straße schmiedeeiserne Gitter herauswuchsen und sich vierzig Fuß über Schienensträngen erhoben, die sich durch eine Ziegelschlucht zogen. Ein zwölf Fuß breites Stück Pflaster war vom Rand abgefallen, als habe es ein großzähniger Riese herausgebissen. Die Geländer bogen sich an beiden Seiten der Lücke herab. Ich blickte hinunter, konnte jedoch nicht sehen, wo der Schutt gelandet war.
    Hinter einer Überführung an der linken Seite sah ich einen rostigen Drahtzaun vor einigen Bäumen entlanglaufen; hinter den Bäumen sah ich Wasser mit Ascheflecken. Rechts, einen grasgefleckten Hügel hinauf, lag das Kloster.
    Genau so.
    Ich ging zwischen den hellbraunen Steinen die Treppe hinauf. Auf halber Höhe sah ich mich nach der Straße um.
    Aus dem Wald wuchsen Rauchalgen und Wasserklumpen, die aufblühten und sich mit dem Himmel vermischten.
    Mit einem sehr merkwürdigen Gefühl aus Erleichterung und Vorausahnung erreichte ich die Spitze der Treppe. Diese einfache Reise war das Ergebnis eines Entschlusses, den ich bislang aufgegeben geglaubt hatte. Das Kloster bestand aus mehreren drei Etagen hohen Gebäuden. Hinter dem größten erhob sich ein Turm. Ich steckte die Hände in die Taschen und fühlte, wie sich meine Beinmuskeln beim Gehen bewegten. Ein Finger fuhr durch das Loch. Dachte: Du kommst in der Abtei an und bist halb durch das Taschenloch hindurch. Sicher entspannte ich meinen Magen (beim Aufsteigen hatte er sich zusammengezogen) und schlenderte laut atmend über die grauroten Steinplatten. Zwischen verstaubten Fenstern hielt blasiger Kitt bleigefaßte Mosaike. Im gleichen Moment als ich den Ort für verlassen hielt, kam ein Mann in Kutte mit Kapuze um die Ecke und spähte zu mir herüber.
    Ich nahm die Hände aus den Taschen.
    Er faltete seine über dem Bauch und kam auf mich zu. Sie waren groß und durchsichtig. Die weiß-schwarzen Spitzen sehr alter Basketballschuhe stießen

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