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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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abwechselnd unter dem Saum hervor. Seine Augen waren grau. Sein Lächeln sah aus wie der amphetamingefrorene Ausdruck einer besonders blassen Stewardeß. Seine Kapuze hing so weit zurück, daß man den teigweißen Schädel erkennen konnte. Am Rand der Kapuze, halb verdeckt, sah man eine wunde Stelle, wie eine ausgefallene Landkarte: naß, wulstig, mit lila Krusten innen und gelblichen Schuppen außen herum. »Ja?« fragte er. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    Ich lächelte und zuckte die Achseln.
    »Ich habe gesehen, wie Sie die Treppe heraufkamen und habe mich gefragte, ob ich etwas für Sie tun könnte. Möchten Sie jemand Bestimmten besuchen?«
    »Ich wollte mich nur umsehen.«
    »Der größere Teil liegt hinten. Wir haben es eigentlich nicht sehr gern, wenn Leute hier herumlaufen, es sei denn, sie wohnen hier. Ehrlich gesagt, hier ist es in keinem sonderlich guten Zustand. Vater hat gestern morgen beim Morgenmahl darüber geredet, daß wir ein Projekt beginnen, alles wieder herzurichten. Alle waren entzückt, eine Wohnung direkt gegenüber Holland Lake zu bekommen -« Er nickte zur anderen Seite der Straße hinüber. »Aber sehen Sie sich das nur an.«
    Als ich von dem verfallenen Seegelände zurückblickte, zog er die Kapuze mit einem dicken Daumen und wachsigem Zeigefinger tiefer in die Stirn.
    Ich sah zu den Gebäuden hinüber. Ich hatte so lange versucht diesen Ort zu finden; doch einmal angekommen, schien die Suche so einfach. Ich schweifte ab zu -
    »Entschuldigen Sie -« sagte er.
    - und kam zurück.
    »Sind Sie der Kid?«
    Ich verspürte ein gutes Gefühl im Magen und den starken Trieb, nein zu sagen. »Yeah.«
    Kinn und Lächeln verzogen sich zu einem Kichern ohne Ton. »Das habe ich mir doch gedacht. Ich weiß nicht warum, aber es schien mir ein vernünftiger Gedanke. Ich meine, ich habe Bilder von . . . Skorpionen in der Times gesehen. Daher wußte ich, daß Sie dazugehören, aber ich hatte keinen Anhaltspunkt, wer Sie sein könnten. Daß Sie der . . .« und schüttelte den Kopf, ein zufriedener Mann. »Nun.« Er faltete die Hände. »Skorpione haben uns noch nie besucht, daher habe ich einfach geraten.« Sein faltenloses Gesicht verzog sich faltenreich. »Sind Sie sicher, daß Sie nicht auf der Suche nach jemandem sind?«
    »Wen sollte ich denn besuchen?«
    »Die meisten Besucher wollen den Vater sehen - aber er ist jetzt in Klausur mit Mr. Calkins, so daß es heute ungelegen käme - es sei denn, Sie wollen warten oder irgendwann zurückkommen -«
    »Ist Mr. Calkins hier?« In meinem Kopf hatte sich eine imaginäre Unterhaltung abgespielt, die begonnen hatte, als ich die erste Frage beantwortete: »Kid? Wer, ich?Nee . . . »Ja.«
    »Könnte ich ihn sehen?« fragte ich.
    »Nun, ich weiß nicht . . . wie ich schon sagte, er ist mit dem Vater in Klausur.«
    »Er wird mich sicher sehen wollen«, sagte ich. »Er ist ein Freund von mir.«
    »Ich weiß nicht, ob ich ihn stören darf.« Sein Lächeln verriet ein Gefühl, das ich nicht verstand, bis er redete: »Und ich glaube, ein Grund für sein Herkommen war, daß er seine Freunde in vernünftiger Distanz halten kann.« Dann kicherte er. Laut.
    »Wir haben uns nie getroffen«, sagte ich und fragte mich, warum. (Erklären, daß Calkins' persönliche Gründe, seine Freunde auf Distanz zu halten, nichts mit mir und ihm zu tun haben? Aber so hörte es sich nicht an.) Ich gab nach.
    Eine Glocke ertönte.
    »Oh, ich glaube« - er sah zum Turm hinüber -, »Schwester Ellen und Bruder Paul haben es doch nicht vergessen«, und lächelte (ein persönlicher Scherz?), während ich ein Modell des Klosters vor Augen hatte, von dem ich nicht einmal wußte, daß ich es mir so konstruiert hatte: drei Gebäude, ausschließlich von dem Vater, Calkins und diesem hier bewohnt - und auch das zerbrach: Zu einer Gemeinde von Brüdern und Schwestern, einem kleinen Garten, Ziegen und Hühnern, Frühmetten, Komplets, Vespern . . .
    »Hey«, sagte ich.
    Er sah mich an.
    »Sagen Sie Mr. Calkins, Kid sei hier, und stellen Sie fest, ob er mich sehen will. Wenn nicht, komme ich ein anderes Mal wieder - jetzt weiß ich ja, wo es ist.«
    Unwillig überlegte er. »Nun, gut.« Er drehte sich um.
    »Hey.«
    Er sah sich um. »Wer bist du?«
    »Randy . . . eh, Bruder Randolph.«
    »Okay.«
    Er ging um die Ecke, zusammen mit dem Echo der Glocke.
    Die Bogentür sah, abgesehen von dem abgeblätterten Schlüsselbeschlag (und ein wenig Rost an dem armdicken Bolzen so aus, als sei sie das ganze Jahr

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