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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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verstehen. Ich habe gesagt, daß ich das befürchte - und jetzt bin ich wütend -, daß Sie auch dazu nicht in der Lage sind.«
    »Erzählen Sie mir von den Symptomen Ihrer Verrücktheit.«
    »Ich vergesse Dinge. Ich weiß nicht, wer ich bin ... ich kann mich schon seit Monaten nicht an meinen Namen erinnern. Manchmal wache ich auf, bin entsetzt und alles verschwimmt in blutigem Nebel, der sich verzieht, wobei mein Herz so laut schlägt, daß es in der Brust weh tut. Ich habe Tage verloren, Tage um Tage aus meinem Leben. Ich sehe Dinge, wie manchmal diese Leute mit den . . .« Und ich spürte, wie sich mein Rücken vor Entsetzen zusammenkrümmte. Schweiß rann an meinem Unterarm entlang. »Leute mit . . .« Ich schloß den Mund, so erstaunt, daß ich es nicht sagen konnte, daß ich es nicht sagen konnte. Ich durchstöberte meine Gedanken auf der Suche nach etwas, was ich mit Worten einkleiden konnte. »Kann ich . . .?« Ich mußte weiter zurück; ich sah auf die unzähligen Reihen der optischen Kette um ihren Hals. »Kann ich Ihnen . . . einen Traum erzählen?«
    »Bitte, ja.«
    »Ich habe geträumt . . . Ich ... ich war in einem Wald, an einem Bergabhang. Der Mond schien - ein Mond. Und diese Frau, eine gutaussehende Frau, ein paar Jahre älter als ich, kam auf mich zu über die Felsen und über das Laub. Sie war nackt. Und wir haben in den Blättern miteinander gebumst. Einfach so. Als wir fertig waren, stand sie auf und rannte durch das Gebüsch -«
    »— Ihr Liebesakt war aber im Traum beendet?«
    »Ja. Nachdem wir gekommen waren, stand sie auf und rannte durch den Wald zu dieser Höhle und sagte, ich solle hineingehen.«
    »Und Sie gehorchten?«
    »Ja. Daran kann ich mich ganz deutlich erinnern. Ich erinnere mich, daß ich einmal auf Blätter trat, dann in Wasser; ich sprang über einen Spalt auf dem Höhlenboden. In einer Nische stand dieses Messingding, so groß, daß ich es mit zwei Armen kaum umfassen konnte, mit glühenden Kohlen und kleinen Flämmchen. Ich kletterte auf den Felsen und fand . . .« Ich berührte die Ketten auf meiner Brust. »Ich habe geträumt, ich hätte das hier gefunden.« Ich hakte den Daumen in die Schlaufen und beobachtete Madame Brown. »Ich meine, es muß ein Traum gewesen sein, nach allem, was später passiert ist.« Sie sah mich eindringlicher an; eine vierte Falte durchfurchte ihre Stirn. »Ich habe sie umgelegt. Aber als ich wieder herauskam, war die Frau verschwunden. Ich habe sie in dem Wald gesucht, bis ich auf eine mondbeschienene Straße gelangte - kurz bevor, das weiß ich noch, ich in diesen Schlammgraben trat. Ich überlegte immer noch, wohin sie wohl gegangen sein könnte, als ich sie sah, dort in der Wiese auf der anderen Seite der Straße. Ich ging über das Gras auf sie zu. Und sie verwandelte sich in einen Baum. Aus irgendeinem Grund erschreckte mich das im Traum wahnsinnig. Deshalb bin ich weggerannt, zurück zur Straße. Bis ich an den Highway kam. Der Rest ist irgendwie verschwommen. Teilweise bin ich wohl in einem Lastwagen mitgefahren mit diesem Mann mit einem vernarbten Gesicht. Wie von Pocken oder schlimmer Akne. Und diese komische Unterhaltung über Artischocken. Oder vielleicht war es gar keine Unterhaltung. Irgend jemand hat einfach Artischocken erwähnt in einem Zusammenhang, an den ich micht nicht erinnern kann.«
    »Das ist alles?« Ihre Fingerspitzen berührten sich.
    »Das ist alles«, sagte ich, während sich ihre Hände trennten und die Knie berührten. »Aber es war ... so merkwürdig!«
    »Was machte es denn so besonders merkwürdig?«
    »Ja, alles passierte so . . . deutlich. Und als sich diese Frau verwandelte, hatte ich solche Angst. Ich meine, ich hatte unbeschreibliche Angst. Ich rannte weg. Ich meine . . .«
    Madame Brown schlug die Beine übereinander.
    An der Wade, nylonverhüllt, zog sich ein Kratzer bis zum Knöchel. Sie fragte: »Was ist?«
    Ich versuchte, den Mund zu öffnen, fühlte, wie sich die Lippen verzogen.
    Sie wartete eine lange Zeit.
    Ich versuchte es noch ein paarmal.
    Meine Finger waren ineinander verknotet. Sie auseinanderzubekommen war genauso schwer, wie die Lippen auseinanderzuzerren.
    Aber ich versuchte es.
    Und versank in mich, als seien meine Augen tiefe Höhlen und die Augäpfel bewegten sich ruckartig auf die hintere Schädelwand zu und prallten zurück.
    »Erzählen Sie mir etwas über Lanya.«
    »Denny -« Die Höhle war nicht da, wo ich lebte. »- und ich, wir haben sie sehr gern.«
    Sie machte Mmmmm.

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