Dhalgren
»Bitte, sagen Sie nichts über gestern abend bei der Bar. Bitte! Bitte?«
»Ich habe Ihrer Mutter nichts gesagt.« Er nahm Teller und Flasche. »Ich wollte Sie nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Sie wissen darüber nichts . . .! Die Zeitung hatte die Fotos, hat aber meinen Namen nicht genannt. . . obwohl es doch jeder weiß!«
»Ist gut - «
»Sie haben sie angesehen, Mammy und Daddy, und sie haben mich nicht erkannt. Oh, ich habe gedacht, ich sterbe ... Ich habe geweint. Hinterher. Oh . . .« Sie schluckte. »Mutter . . . läßt Ihnen das bringen. Sie dachte, Sie wären vielleicht hungrig. Bitte sagen Sie ihr nichts?«
»Werd' ich nicht«, und ärgerte sich.
»Es war, als spielten Sie mit mir. Es war schrecklich.«
Er nahm einen Schluck. »Haben Sie ihn denn gefunden? George Harrison?« Es bitzelte, schmeckte aber bitter.
Sie flüsterte: »Nein!«
»Was wollten Sie von ihm?«
Ihre absolute Verwundbarkeit entlockte ihm ein freundliches Grinsen. Er stellte den Teller auf den Stuhl und überlegte, ob er akzeptieren sollte, was so viel Ähnlichkeit hatte mit dem, was er einst abgelehnt hatte. Dann nahm er das Sandwich und bohrte seine Zähne durch das Loch. Büchsenfleisch. Und Mayonnaise. »Er war drinnen. Sie hätten nicht weglaufen sollen. Er kam eine Minute später heraus.« Er schluckte. »Hey, wollen Sie ein Bild von ihm haben?«
»Huh?«
»Ich kann Ihnen ein Foto von ihm besorgen, wenn Sie wollen, nicht wie die in der Zeitung.«
»Nein, ich will kein Bild von ihm. Was für ein Foto ist es denn?«
»Großes, buntes Poster. Nackter Schwanz.«
»Nein!« Sie ließ den Kopf sinken. »Sie spielen doch mit mir. Ich möchte das nicht. Es ist schrecklich.«
»Heh, ich habe nur . . .« Er blickte von dem Sandwich zur Flasche. Er hatte keinen Hunger, hatte aber aus Freundlichkeit gegessen. Jetzt bereute er es. Er sagte: »Wenn Sie alleine spielen, müssen Sie verlieren. Wenn ich mit Ihnen spiele . . . haben Sie vielleicht eine Chance.«
Ihr Haar flog herum. Sie blickte hoch, verwirrt, weil sie das Angebot für Heuchelei hielt.
»Morgen besorge ich Ihnen —«
»Du solltest doch auf mich warten«, sagte Bobby von der Tür her. »Mom hat gesagt, daß wir zusammen hier raufgehen sollten . . . Mann, Sie haben den Raum ja schon fast sauber.«
June bewegte ihre Schultern, was Bobby nicht gerade ignorierte, allerdings reagierte er auch nicht darauf. Er sagte statt dessen:
»Sie haben auch das Zeug um den Hals. Wie das hier.« Er hielt sein glitzerndes Armband hoch.
»Yeah.« Er grinste. »Aber ich wette, du sagst mir nicht, wo du es her hast?«
Bobby sah überraschter aus, als er erwartet hatte. »Ich habe Mom und Dad einfach erzählt, daß ich es gefunden habe.«
June sagte verdrießlich: »Du solltest das nicht tragen.«
Bobby verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und sagte: »Äähem«, als würde diese Meinungsverschiedenheit häufig ausgefochten.
»Warum sollte er nicht?«
Bobby sagte: »Sie denkt, daß schreckliche Dinge passieren, wenn man sie trägt. Sie hat Angst. Sie hat ihre abgenommen.« June blickte ihn an.
»Weißt du, was ich glaube?« sagte Bobby. »Ich glaube, daß noch viel schrecklichere Dinge den Leuten passieren, die sie eine Zeitlang tragen und dann abnehmen.«
»Ich habe sie nicht abgenommen.«
»Hast du doch!«
»Habe ich nicht!«
»Doch!«
»Sie gehörte mir nicht! Und du solltest nicht sagen, daß du sie gefunden hast. Ich wette, die schlimmsten Dinge geschehen mit den Leuten, die sie stehlen!«
»Ich habe sie nicht gestohlen.«
»Hast du doch.«
»Habe ich nicht!«
»Doch!«
»Oh . . .«In schwesterlicher Frustration rang sie beide Hände, um diese Art Unterhaltung abzubrechen.
Er nahm noch einen Bissen von dem pappigen Brot und spülte es mit warmer Cola hinunter: schlechte Idee. Er stellte beides ab. »Ich gehe zurück«, sagte Bobby. »Du kommst besser mit. Wir sollen doch zusammen sein.« Und ging zur Tür hinaus.
Sie wartete. Er sah zu.
Ehre Hände bewegten sich in den Rockfalten, hoben sich. Dann hob sie den Kopf. »Vielleicht —«
»Oh, er geht herumschnüffeln.« Verachtung?
»Warum wollen Sie . . . George finden?«
Sie blinzelte. Ein Wort ging im Atem unter. »Ich . . . muß. Ich möchte es!« Ihre Hände zuckten hoch, eine nach der anderen hielt jeweils die andere unten. »Kennen Sie ihn?«
»Ich habe ihn gesehen.«
Ihr Gesichtsausdruck war trotz all der Helläugigkeit und der fahlen Blondheit sehr intensiv. »Sie leben . . . einfach so
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