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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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Tür öffnete sich.
    Kerzen flackerten auf dem Telefontischchen. Das Licht aus dem Wohnzimmer warf unruhige Schatten auf den Teppich. Eine Tür am anderen Ende des Flurs entließ einen hin- und herwabernden organgenen Schein. »Kommen Sie rein.«
    Er folgte June ins Wohnzimmer.
    »Nun?« Mr. Richards blickte über den Rand der kleingefalteten Times. »Sie haben ganz schön lange gearbeitet, würde ich meinen. Wie geht's denn so vorwärts?«
    »Gut. Im hinteren Zimmer waren eine Menge Scherben. Eine Spiegelkommode ist umgefallen.«
    »Haben Sie die Möbel raus?« rief Mrs. Richards aus der Küche.
    »Alles ist im Vorderzimmer. Den hinteren Flur kann ich morgen machen und dann das Ganze rausschaffen. Es ist nicht so schlimm.«
    »Das ist gut. Arthur . . .?«
    »Oh, ja, natürlich«, sagte Mr. Richards. »Mary hat Ihnen ein Handtuch rausgelegt. Nehmen Sie doch ein Bad. Rasieren Sie sich elektrisch?«
    »Nein.«
    »Ich habe einen Rasierer, falls Sie ihn brauchen. Ich hab Ihnen aber auch einen Naßrasierer rausgelegt. Neue Klinge. Wir wollten Sie zum Abendessen einladen.«
    »Hey«, sagte er und wäre lieber gegangen. »Das ist aber nett von Ihnen. Danke.«
    »Bobby, hast du Kerzen ins Badezimmer gestellt?«
    Bobby machte nur uumpf über seinem Buch.
    »Leben bei Kerzenlicht«, sagte Mr. Richards. »Toll, was?«
    »Immerhin geht das Gas noch«, sagte Mrs. Richards. »Das ist doch wenigstens etwas.« Sie kam zur Tür. »Bobby, Arthur, ihr beide! Bei diesem Licht kann man doch nicht lesen! Ihr werdet euch die Augen verderben!«
    »Bobby, leg das Buch weg. Du hast gehört, was deine Mutter gesagt hat. Außerdem liest du sowieso zuviel.«
    »Arthur, wie kann man denn zuviel lesen? Es geht nur um seine Augen.« Sie ging wieder in die Küche.
    Oben auf dem Regal neben Mr. Richards' Stuhl (weder er noch Bobby haben aufgehört zu lesen) zwischen einer Ausgabe von Paradise Lost, auf der Classics Club stand, und einem dicken Titel von Michener stand ein Buch, dünner als beide, auf dessen schwarzem Rücken in weiß Pilgrimage/Newboy stand. Er zog es heraus. Kerzenschein zuckte über den Einband. »Ist Mrs. Brown übrigens gekommen?« Er drehte das Buch um. Auf dem Regal glänzten zwei schwarze Porzellanlöwen, die ins Leere starrten. Der Rückseitentext bestand aus drei nichtssagenden Teilen. Wieder sah er auf die Vorderseite: Pilgrimage von Ernest Newboy.
    »Sie wird kommen, wenn wir mit dem Essen anfangen. Das ist immer so.« June kicherte, wartete darauf, daß Vater oder Mutter sie zurechtweisen würden. Doch nichts folgte. »Das ist von diesem Dichter, über den sie gestern in der Zeitung geschrieben haben. Bobby hat es gestern für Mutter in der Buchhandlung geholt.«
    Er nickte. »Ma'am?« Erblickte zur Küchentür. »Darf ich es mir ansehen?«
    »Sicher«, sagte Mrs. Richards vom Herd her.
    Er ging ins Badezimmer, das wahrscheinlich genauso eingerichtet war, wie das oben, das er vollgepinkelt hatte. Zwei Kerzen auf dem Wasserkasten der Toilette warfen auf jede Kachel zwei Flecken. Oben auf dem Medizinschränkchen stand eine dritte Kerze.
    Er drehte die Hähne auf, setzte sich auf den Klodeckel, legte Newboy auf sein Notizbuch und las die »Prolegomena«. Das Wasser lief.
    Nach einer Seite begann er zu blättern, las hier eine Zeile, dort einen Vers. Über einiges lachte er laut.
    Er legte das Buch hin, zog sich aus, lehnte sich über den Rand und ließ seinen eingeketteten, verschmutzten Fuß hinein gleiten. Dampf küßte seine Fußsohle, dann leckte heißes Wasser.
    Als er mit Ketten unter dem Gesäß in der kühler werdenden Wanne saß, wurde das Wasser grau und trübe, noch ehe er sich auch nur eine Minute gewaschen hatte.
    Nun, Lanya hatte gesagt, sie habe nichts dagegen.
    Er ließ das Wasser ab und frisches über die Füße laufen, wobei er die rauhe Haut von den Sohlen nibbelte. Er hatte gewußt, daß er schmutzig war, doch dieser ungeheure Dreck hier im Wasser war schon erstaunlich. Er seifte sein Haar ein, rieb Arme und Beine mit dem Seifenstück, bis es an der Kette zerbröselte. Er bearbeitete die Stelle unter seinem Kinn mit dem zusammengedrückten Waschlappen und tauchte dann mit dem Kopf unter Wasser, beobachtete seine Bauchinsel, die im Pulstakt seines Herzens zitterte. Jedes Haar war wie eine nasse Schuppe, wie die grobkörnige Haut eines Amphibiums.
    Während dieser Prozedur rollte Madame Browns hohes Lachen durch den Flur und etwas später ihre Stimme vor der Tür: »Nein! Du kannst da nicht rein, Muriel! Da

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