DHAMPIR - Blutsverrat
zu verlassen. Er huschte zu einem dunklen Eingang weiter die Gasse hinunter und hielt dort inne, um das Geschehen zu beobachten.
Ein Soldat erschien am Zugang der Gasse, sah die Frau und eilte zu ihr. Er hatte weder eine Fackel noch eine Lampe und wäre fast über den Diener gestolpert. Wenige Sekunden später traf ein zweiter Wächter mit einer Fackel ein, die er hoch über den Kopf hielt, und ihr Licht fiel auf beide Opfer. Die Soldaten starrten auf die Frau hinab.
Es drang kein But mehr aus der Wunde am Hals. Rings um den Kopf hatte sich eine große Lache gebildet; langsam rann das Blut durch die Ritzen zwischen den Pflastersteinen. Die braunen Augen der jungen Adligen waren noch geöffnet.
»Hol Lord Geyren, schnell!«, rief der erste Soldat.
Der zweite Wächter gab die Fackel dem ersten Soldaten und lief in die Richtung, aus der er gekommen war. Rufe erklangen in der Ferne.
Chane wusste, dass er besser verschwinden sollte, aber eine sonderbare Faszination hielt ihn an Ort und Stelle.
Bewaffnete Männer und entsetzte Bürger sammelten sich am Gasseneingang. Chane hörte einen entsetzten Schrei.
Ein junger Mann mit polierten Stiefeln bahnte sich einen Weg durch das Gedränge der Schaulustigen und blieb vor der Leiche der Frau stehen. Er trug ein königsblaues Hemd und darüber einen indigofarbenen Mantel. Stöhnend sank er auf die Knie und achtete nicht darauf, dass Blut an seine Hose geriet.
»Marianne?«, ächzte er und griff nach ihren blutigen Fingern. Er löste sie vom Hals, und zum Vorschein kam die aufgerissene Kehle. »Marianne!«
Der zweite Soldat war mit dem jungen Adligen zurückgekehrt und begann nun damit, die Menge vor der Gasse zurückzudrängen. Der erste Soldat tastete nach dem Puls des Dieners. Der junge Adlige brach vor allen Leuten in Tränen aus und weinte wie ein Kind. Er hob die Leiche der Frau an und drückte sie sich an die Brust, schmierte sich dabei ihr Blut auf die Wange. Verzweifelt sah er sich um.
»Hilfe! Ich brauche Hilfe!«
Chane beobachtete verwundert, wie der junge Mann die tote Frau in seinen Armen wiegte.
Etwas stimmte nicht mehr. Er fand noch immer Freude an der Jagd und am Töten, aber sie verschwand schnell wieder. Euphorie blieb ihm versagt, ganz gleich, wie oft er in warmes Fleisch biss, sei t …
InjenerNachtimWaldvon Apudâlsat hattesichdieauseinerSchulterwundeblutendeWynnvorMagieregeworfen.Chanewarsodummgewesenzuzögern,undMagierehatteihmdenKopfabgeschlagen.Unddan n … nichtsmehr,biservollerEntsetzenineinemflachenGrab erwachte und die auf ihn geworfenen Leichen beiseitestieß.
Als er den jungen Adligen beobachtete, fühlte Chane weder Mitleid noch Bedauern, aber ein Bild stieg in ihm au f …
Wynn brach an seinem kopflosen Leichnam zusammen. Sie schluchzte auf seiner Brust, in ihrem Gesicht Schmutz, Tränen und seine schwarze Flüssigkeit.
Plötzlich konnte Chane nicht länger zusehen. Eng an die Wand geduckt schlich er durch die dunkle Gasse fort, und niemand bemerkte ihn. Noch immer sah er Wynns Gesicht, voller Trauer über seinen zweiten Tod.
Ein lang gezogenes gespenstisches Heulen klang durch die Nacht, so nahe, dass Chane erstarrte. Er stand auf einer offenen Straße, völlig ungeschützt durch Welstiels Ring.
Chap jagte ihn.
Voraus sah Magiere einen Gasthof, und als sie näher kamen, fiel das Licht von Leesils Fackel auf ein Schild: ZUR BRONZENEN GLOCKE. Ihr knurrte der Mage n – sie hatte sich nicht die Zeit genommen, vor Beginn der Jagd etwas zu essen. Sie spürte dumpfen Schmerz in den Kiefermuskeln, wahrscheinlich von der Anspannung der letzten Tage. Entschlossen streckte sie die Hand aus und wollte die Tür öffnen.
»Magier e … «, flüsterte Leesil neben ihr.
Sie drehte sich um und sah ein sonderbares Glühen in seinem Gesicht. Das Trampeln von Stiefeln lenkte ihre Aufmerksamkeit von ihm ab: Zwei Männer in Lederrüstungen liefen mit gezückten Kurzschwertern zu der Kreuzung, die sie mit Leesil gerade überquert hatte.
Chap knurrte, hob den Kopf und stimmte ein langes Heulen an.
Magiere spürte, wie die Dhampir in ihr erwachte.
»Bei den toten Göttern!«, entfuhr es Leesil. »Er ist ganz in der Nähe!«
Er nahm die bereits geladene Armbrust zur Hand und spannte sie. Magiere stellte fest, dass das Glühen vom Topasamulett an seinem Hals stammte.
»Los, Chap!«, sagte sie.
Der Hund sauste über die Straße, heulte erneut, stob um die Ecke und folgte den beiden Soldaten. Magiere lief ebenfalls los, so schnell sie konnte, mit
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