DHAMPIR - Blutsverrat
… « Magiere ging neben ihr in die Hocke. »Nutz die Zeit und beschäftige dich mit Byrds Zeichnungen. Nachdem du in der Festung gewesen bist, fällt dir vielleicht etwas ein.«
»Ja«, sagte Wynn und hielt den Kopf gesenkt. »Das klingt nach einer richtigen Aufgabe für mich.«
Leesil zog den Stöpsel aus einer Ölflasche und gab Öl auf die umwickelten Bolzenköpfe.
»Was machst du da?«, fragte Magiere.
»Nimm dir eine Flasche und einige Bolzen«, sagte er. »Wenn jemandem von uns ein Treffer mit einem brennenden Bolzen gelingt, kann der andere Gebrauch von der Ölflasche machen. Der Untote geht in Flammen auf, wenn wir den Inhalt auf Kleidung oder Haar schütten.«
Magiere runzelte die Stirn und schien nicht viel von der Idee zu halten, konnte aber nichts Besseres vorschlagen. »Zuerst müssen wir ihn finden.«
Sie legte einen Bolzen in die Armbrust und drückte sein Ende unter die dünne Metallklammer des Schaftes. Sie schlang sich den Riemen der Waffe über die Schulter und steckte die übrigen Bolzen hinter den Gürtel, vergewisserte sich dann, dass sie das Falchion leicht aus der Scheide ziehen konnte.
Leesil nahm die beiden speziell für ihn angefertigten Klingen und bereitete dann ebenfalls Köcher, Öl und Armbrust vor. Anschließend zog er sich die Kapuze in die Stirn, streifte Handschuhe über, holte das Topasamulett unter Hemd und Mantel hervor und ließ es ganz offen auf der Brust baumeln.
»Bist du so weit?«, fragte er.
Magiere nickte. »Wie Wynn sagte, wir fangen bei der Bronzenen Glocke an.«
Chap leckte Wynns Wange, lief dann aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Leesil schaute noch einmal in den Raum zurück, bevor er die Tür schloss. Wynn saß auch weiterhin mit gesenktem Kopf auf dem Boden, wie einsam und verloren.
An jenem Abend saß Hedí im Speiseraum und bestickte einen Kissenbezug. Das war eine angemessene Tätigkeit für eine Lady. In ihrer Jugend hatte sie von einem derartigen Zeitvertreib nicht viel gehalten. Doch eine Frau, die stumm auf einem Stuhl saß und stickte, war fast unsichtbar. Nur wenige bemerkten ihre Präsenz.
Bedienstete und Soldaten kamen herein und verließen den Raum wieder, ohne dass jemand ein Wort an sie richtete. Das Abendessen war nach ihrem Geschmack gewesen: geschmortes Lammfleisch und frisches Brot, dazu getrocknetes Obst und Nüsse. Zum Glück war Darmouth nicht zum Essen erschienen. Omasta hatte ihr Gesellschaft geleistet, aber die meiste Zeit über geschwiegen. Nach dem Essen war er sofort gegangen, ohne sich seinen Teller noch einmal füllen zu lassen. Hedí fand es seltsam, dass er solche Zurückhaltung übte, obwohl er ganz offensichtlich Darmouths Gunst genoss.
Sie kehrte nicht in ihr Zimmer zurück, obwohl sie sich manchmal in Gesellschaft noch einsamer fühlte. Mit kleinen Stichen arbeitete sie an dem Kissenbezug. Die Zeit verging, und der Speiseraum leerte sich. Als niemand mehr da war, der sie beobachten konnte, dachte sie an Emêl; sie hoffte, dass er sich nicht zu große Sorgen machte und noch immer nach einer Möglichkeit suchte, sie zu befreien.
Leise Stimmen weckten ihre Aufmerksamkeit. Hedí sah auf und beobachtete, wie Faris und Ventina hereinkamen und dabei miteinander flüsterten. Sie schwiegen überrasch t – so spät nach dem Abendessen hatten sie offenbar niemanden mehr im Speiseraum erwartet. Hedí stand auf und nickte den beiden Neuankömmlingen zu.
»Ich hoffe, ich störe nicht. Ich war nicht müde und wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte.«
Ihre Worte sollten Faris und Ventina beruhigen, aber sie blieben völlig ungerührt und ohne jede Anteilnahme. Faris richtete einen kühlen, scharfen Blick auf sie, und seine Finger schlossen sich kurz um den Oberarm seiner Frau.
»Ich muss gehen. Die Jagd beginnt bald.«
Ventina nickte, und ihr Mann verließ den Speiseraum. Sie ging zum Tisch, nahm dort übrig gebliebenes Brot und getrocknete Birnen. Sie war schlank und drahtig, hatte dichtes schwarzes Haar. Goldene Armbänder glänzten an ihren Handgelenken, aber Hedí bezweifelte, dass sie wirklich aus Gold bestanden. Ein dazu passender Reif auf dem Kopf hielt das Haar zurück.
Hedí trat ums Ende des Tisches und näherte sich Ventina. Vielleicht bekam sie nie wieder Gelegenheit, allein mit dieser Frau zu sprechen.
»Lord Darmouth hat mir erlaubt, durch die Burg zu wandern«, sagte sie. »Ich bin heute deiner Tochter begegnet.«
Ventina schaute hoch, in ihrem Gesicht eine Mischung aus Vorsicht und
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