DHAMPIR - Dunkelland
sie an einem ganzen Tag nicht mehr als vier Meilen zurückgelegt hatten, hielten sie bei einem großen Dorf an.
Magiere wollte die Fahrt auf dem Fluss fortsetzen, doch ihr Heimatdorf Chemestúk war nur einen Dreitagesritt entfernt, und dies war die letzte Gelegenheit, Pferde zu kaufen. Als sie sich mit einem entsprechenden Vorschlag an Leesil wandte, geriet er außer sich.
»Pferde? Ich soll meinen Hals einem von Flöhen zerfressenen Klepper anvertrauen, der die ganze Zeit über auf vier dürren Beinen schwankt? Lieber kotze ich mir an Bord eines Frachtschoners die Seele aus dem Leib!«
Es folgte ein Streit, der die Kahnleute veranlasste, ihre Arbeiten an der Anlegestelle zu unterbrechen und große Augen zu mache n – ganz zu schweigen von den Dorfbewohnern, die zufälligerweise in der Nähe waren und alles mithörten. Schließlich kaufte Magiere drei kräftige Ponys und einen Packesel und drängte Leesil in den Sattel, während Wynn den Rest ihrer Vorräte umpackte.
Das war vor drei Tagen gewesen, und jetzt wartete Magiere darauf, dass Leesil zu ihr aufschloss. Den ganzen Tag über hatte er kaum gesprochen und nur gelegentlich sein Pony verflucht, das meistens überhaupt nicht gehorchte.
Magiere beobachtete ihr düsteres Heimatland. Moosfladen hingen an den Ästen und Zweigen alter Bäume wie Bärte. In der kühlen Luft blieb der Boden ständig feucht, und hinter dem Geruch von Lehm und Laub lag der Gestank von Zerfall. Der dichter werdende Wald verwehrte oft den Blick zum wolkenverhangenen Himmel, der sich nur dann zeigte, wenn der Weg nah am Flussufer entlangführte. Die großen, knorrigen Bäume bescherten Dröwinka immerwährende Dämmerung. Es tropfte selbst dann vom hohen Baumkronendach, wenn es nicht regnete.
Magiere sah zu ihren Begleitern zurück. Mit dem Zügel des Packesels in der Hand bildete Wynn den Abschluss, und Chap lief neben ihrem Pony. Leesils holzkohlegrauer und feuchter Schal saß schief am Kopf, zeigte das weißblonde Haar und ein spitz zulaufendes Ohr.
»Von allen dummen Arten, über Land zu reisen, mussten wir ausgerechnet diese wählen«, brummte er. »Mein Allerwertester wird nie wieder so sein wie vorher.«
»Wir sind fast da«, sagte Magiere leise. »Aber wir machen für die Nacht halt.«
Er sah sie überrascht an und hob dann den Blick zu dem Fleck grauen Himmels zwischen den Baumkronen. Magiere wusste, dass es ungewöhnlich war, so früh anzuhalten, und Leesil musterte sie. Der Ärger war aus seinem Gesicht verschwunden.
»Uns bleibt noch ein wenig Licht«, sagte er. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»J a … «, erwiderte sie zögernd. »Abe r … ich bin zu lange von diesem Ort fort gewesen.«
Leesil ergriff ihre Hand, und seine Finger fühlten sich auf ihrer Haut erstaunlich warm an.
»Es ist recht spät, dich dies zu fragen, nachdem wir einen langen Weg hinter uns haben«, sagte er. »Bist du sicher, dass du wirklich in deine alte Heimat zurückwillst? Wir könnten uns nach Norden wenden und den Weg durch Strawinien in Richtung der Kriegsländer fortsetzen.«
Der Wunsch, diesen Ort zu verlassen, war stark in Magiere. Alles in ihr drängte danach, erneut zu fliehen, diesmal mit Leesil an ihrer Seite. Aber es gab Fragen, die beantwortet werden mussten.
Wer bin ich? Warum bin ich hier?
Warum bin ich gezeugt worden, von einem Untote n … um Jagd auf seine eigene Art zu machen?
Wynn hielt ihr Pony hinter ihnen an und sackte im Sattel zusammen. Magiere bedauerte noch immer, der jungen Weisen gestattet zu haben, sie zu begleiten. Die feuchte Kälte setzte Wynn zu, obwohl sie sich nie beklagte.
»Wir machen halt«, sagte Magiere und löste ihre Hand aus Leesils. »Wynn, such dir eine Stelle und ruh dich aus. Leesil zündet ein Feuer an, und ich kümmere mich um die Ponys.«
Wynn hob den Kopf, und die Feuchtigkeit ließ ihren braunen Zopf dunkler erscheinen. »Ich bin in Ordnun g … sobald ich Tee gekocht habe.«
Sie widmeten sich ihren Aufgaben. Chap folgte Wynn, als sie ihre Schlafdecken entrollte und die Teekanne aus Blech füllte. Leesil holte einen Wachstuchbeutel mit trockenem Anzündholz hervor und machte ein kleines Feuer, das zischte und qualmte, als er feuchtes Holz hinzufügte. Neben dem Feuer legte er Zweige aus, damit sie trockneten und das verbrauchte Anzündholz ersetzen konnten. Magiere band die Ponys an einer großen Fichte fest und brachte ihnen Hafer und Wasser. Die Straße, die sie hierhergeführt hatte, war eigentlich kaum mehr als ein
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