DHAMPIR - Dunkelland
entstellte.«
»Adryans Gesicht?«, fragte Magiere. »Seine Narbe n … Niemand wollte etwas darüber sagen.«
»Das liegt an Yoan«, knurrte Bieja. »An ihm und den anderen, die über Jahre hinweg dummes Zeug geredet haben. Oh, manche Wahrheiten waren durchaus bekannt, aber er meinte, wir sollten besser darüber schweigen, um nicht noch mehr Unheil herauszufordern. Mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls den Mund zu halten.« Sie schüttelte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches. »Adryan versuchte deiner Mutter zu helfen. Sie waren verlob t – das glaubte er zumindest.«
Magiere saß still da und fröstelte trotz des nahen Feuers. Während ihrer leidvollen Kindheit hatte sie allein Bieja vertraut, doch ihre Tante hatte offenbar Geheimnisse zurückgehalten.
»Dir blieb nichts anderes übrig?«, wiederholte sie. »Was soll das heißen? Du hast nie jemandem nachgegeben, es sei denn, es entsprach deinen Wünschen.«
»Ich habe mir große Sorgen um Magelia gemacht«, sagte Bieja. »Meine Schwester war meine einzige Gefährtin, und man nahm sie mir weg. Manchmal kamen Bedienstete und berichteten, sie schwanger im Hof gesehen zu haben, aber sie durfte den Bergfried nie verlassen, und wir durften nicht hinein. Ich habe es mehrmals versucht und mich so nahe wie möglich herangeschlichen, doch ich bekam sie nie zu sehen und wurde zweimal von patrouillierenden Wächtern geschlagen. Den Rest kennst du bereits. Eines Abends kam einer der Adligen, die Magelia verschleppt hatten. Sein Hemd war blutig, und er brachte dich zu mir, nur wenige Stunden nach deiner Geburt, außerdem auch die Lederrüstung, die Amulette und das Schwert. Er meinte, es seien Geschenke von deinem Vater. Er brachte auch Magelias blaues Kleid für dich. Das machte mir mehr Angst als alles andere. Am nächsten Tag kam ein Waffenknecht mit der Leiche deiner Mutter, und mehr bekamen wir von den Leuten aus dem Bergfried nicht zu sehen. Ich vermute, sie brachen noch in der gleichen Nacht auf, obwohl wir das damals nicht wussten. Wir erfuhren erst davon, als einen halben Mond später ein neuer Herr eintraf.«
Bieja schloss kurz die Augen.
»Zuerst habe ich versucht, dich zu verstecken, und für eine Weile gelang mir das auch. Als Yoan dahinterkam, wollte er dich im Wald aussetzen, aus Furcht davor, du könntest dem Dorf Unglück bringen.Mit deinem Schwert habe ich ihn abgewehrt und darauf hingewiesen, dass es dem Dorf weitaus mehr Unglück bringen würde, wenn wir das Kind eines Adligen umbrächten, ob aufgegeben oder nicht. Ich hätte alles gesagt, um dich zu retten, aber diese Narren verstanden nur die Sprache der Angst. Und so ließen Yoan und die anderen dich in Ruh e … mehr oder weniger. Aber du warst für si e – und vor allem für Adrya n – immer eine Erinnerung an das uns widerfahrene Unglück.«
Magiere wandte den Blick ab und wollte nicht noch mehr davon hören. Bieja hatte sie all die Jahre belogen, aber vor ihrem inneren Auge sah Magiere, wie sie Yoan mit dem Falchion zurückhielt.
»Es tut mir leid«, sagte Magiere. »Du hättest mir das alles schon früher sagen sollen.«
»Damals warst du zu jung, und warum hätte ich dich noch mehr belasten sollen? Es gab schon genug, mit dem du als Kind fertig werden musstest.«
»Wie hieß der damalige Herr?«, fragte Leesil.
Bieja schüttelte den Kopf. »Es ist lange her, und man hat uns seinen Namen nicht verraten. Wir nannten ihn einfach nur ›Herr‹.«
»Hieß er Massing?«, hakte Leesil nach.
Wynn hob den Kop f – dieses Wort klang vertraut. Magiere empfand es wie einen Schlag ins Gesicht und wandte sich Leesil zu.
»Ich musste danach fragen«, flüsterte er entschuldigend.
»Vielleicht haben andere Leute den Namen gehört«, sagte Bieja, nachdem sie kurz darüber nachgedacht hatte. »Ich erinnere mich nicht daran.«
»Wer ist der gegenwärtige Lehnsherr?«, fragte Leesil. »Vielleicht gibt es im Bergfried noch irgendwelche Aufzeichnungen.«
»Derzeit haben wir keinen Herrn«, antwortete Bieja. »Vielleicht konnten die Äntes niemanden finden, der sich hier bei uns niederlassen wollte. Unser Zupan, Cadell, wurde zum Aufseher ernannt. Er und seine Frau wohnen jetzt im Bergfried. Cadell ist ein anständiger Mann. Ihr könnt morgen mit ihm reden.«
Magiere hörte die Worte ihrer Tante kaum. Jedes Mal wenn sie nach klaren, direkten Antworten suchte, wurde die Wahrheit, wie alles andere im Leben,
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