Dhampir - Halbblut
winkte mit einer großen Hand. »Ich bin Karlin. Dort drüben habe ich einige Tische, an denen ihr in aller Ruhe die Törtchen essen könnt. Der Konstabler wird gleich hier sein.«
Mit einer Mischung aus Verlegenheit und Erleichterung darüber, wie gut Leesil zurechtkam, folgte Magiere ihm und dem Bäcker. Sie hätte sich die Taverne lieber erst angesehen und anschließend die formellen Angelegenheiten erledigt, aber es schien alles glattzulaufen. Außerdem hatte sie angesichts des Brotes bemerkt, wie hungrig sie wahr. Wenige Momente später saß sie mit Leesil am Tisch, brach Stücke vom Roggenbrot ab, tunkte sie in einen Napf mit Honig, den der Bäcker gebracht hatte, und wartete darauf, dass der Konstabler zu ihr kam. Ein Teil der Sorge fiel von ihr ab, denn hier waren sie abseits der Hauptstraße und nicht mehr so vielen neugierigen Blicken ausgesetzt.
»Ich glaube nicht, dass viele Fremde über die Straße nach Miiska kommen«, sagte Magiere.
Leesil nickte. »Du hättest das Falchion beiseitelegen sollen.«
Sie sah ihn an, gab aber keine Antwort. Wahrscheinlich war er bis an die Zähne bewaffnet, mit vielen kleinen Messern, die sich leicht in der Kleidung verstecken ließen.
Trotz ihrer Nervosität mochte Magiere diese quirlige Aktivität hier. Im Leben dieser Leute schien es mehr zu geben als nur abergläubische Furcht. Sie gingen Geschäften nach, umgeben von Familienangehörigen und Freunden, die sich gegenseitig nicht misstrauisch im Auge behielten und darauf warteten, dass sich irgendein böser Fluch manifestierte. Dies würden ihre Kunden sein, und sie war entschlossen, sie nicht zu verachten.
Ihre Entschlossenheit geriet ins Wanken, als der junge Geoffry, der Sohn des Bäckers, zurückkehrte, gefolgt von einem Koloss von Mann, der zwischen den Stadtbewohnern einherstolzierte, als wäre jeder Einzelne von ihnen sein persönlicher Diener. Als Magiere ihn sah, war sie sofort voller Abscheu und ließ das Stück Brot sinken, das sie gerade in den Honig hatte tunken wollen. Sie kannte solche Leute.
Der Mann trug einen violetten Brokatumhang, eine waldgrüne Schärpe und einen ebenfalls violetten Hut, mit einer weißen Feder geschmückt. Vermutlich kostete seine Kleidung so viel, wie Magiere in drei Dörfern verdient hatte, doch die Schärpe gab ihm nicht etwa ein distinguiertes Erscheinungsbild, sondern betonte nur die Größe des Bauchs. Er sah aus wie eine Weintraube, die zu lange an ihrer Rebe gereift war. Seine Miene zeigte die typische Strenge von Leuten, die ihre Stellun g – aber nicht ihre Pflichte n – zu ernst nahmen. Das musste Konstabler Ellinwood sein.
Karlin der Bäcker führte den Konstabler respektvoll zu ihrem Tisch, und Magieres Abscheu wuchs. Konstabler Ellinwoods fleischiges Gesicht und seine kleinen, schweineartigen Augen wiesen darauf hin, dass er glaubte, kostenloses Bier und das Schröpfen der Stadtbewohner bei jeder Gelegenheit gehörten zu seinen verbrieften Rechten. Beamte wie er verdienten nicht gerade ein Vermögen, soweit Magiere wusste, und sie bezweifelte, dass er den teuren Brokatumhang von seinem eigenen Gehalt bezahlt hatte.
Tief in ihrem Innern war ihr die Scheinheiligkeit ihrer Verachtung klar. Leesil und sie hatten in den vergangenen Jahren wahrscheinlich Schlimmeres angestellt, aber wenigstens hatten sie sich immer nur ein Dorf vorgenommen und waren dann weitergezogen. Sie blieben nicht, um den Dorfbewohnern die ganze Zeit über auf der Tasche zu liegen.
Karlin schien sich über die Präsenz des Konstablers zu freuen und stellte sie einander vor.
»Das sind die Leute«, sagte er, und Magiere bemerkte, wie gesund die Hautfarbe des Bäckers neben Ellinwoods käsigem, aufgeschwemmtem Gesicht wirkte.
»Ihr habt das Dunction-Lokal gekauft?«, fragte Ellinwood und sah dabei Leesil an.
»Ich weiß nicht, wem die Taverne vorher gehörte«, warf Magiere ein. »Aber ich habe hier eine Eigentumsurkunde.« Sie entfaltete ein abgegriffenes Blatt Papier.
Leesil lehnte sich zurück und war durchaus zufrieden mit dem Rollentausch. Es gab ihm Gelegenheit, Sahnetörtchen zu essen und ab und zu einen Schluck aus dem Weinschlauch zu nehmen. Konstabler Ellinwood richtete seine Aufmerksamkeit auf Magiere und nahm die Urkunde entgegen. Zwei große goldene Ringe steckten an seinen Wurstfingern.
»Ich zeige euch die Taverne«, sagte er, nachdem er das Dokument flüchtig gelesen hatte. »Aber ich kann nur kurz bleiben.« Selbst seine Stimme klang dick und schwerfällig. Er
Weitere Kostenlose Bücher