Dhampir - Halbblut
sich, warum er nicht einfach abgelehnt hatte. Während er durch die Schatten der Nacht schlich, wirkte Rashed ebenso elegant und würdevoll wie sonst. Er trug seinen dunkelblauen Kasack, darüber einen Kapuzenmantel, und die rechte Hand hatte er um das Heft seines Schwerts geschlossen.
Rattenjungeredetesichgernein,dassseinschäbigesErscheinungsbildeinebewussteWahlfürdieJagdwar.Abererwusste:SelbstnachgründlichemWaschenundmitfeinerKleidunghätteernichtannäherndsoedelausgesehenwieRashed;wenneresjemalsversuchthätte,wärederKontrastpeinlichkomischgewesen.SoversteckteersichuntermehrerenSchichtenSchmutzindemVersuch,sicheineeigeneIdentitätzugeben.Wennsiebeidealleinundeinandersonahewaren,wurdeihm der Unterschied zwischen ihnen besonders deutlich bewusst.
»WasistmitdemHund?«,fragteRattenjunge.»UnddemHalbblut?Wirwissennicht,wosiesind.IchkönnteihnenüberdenWeglaufen,wennsieinderKücheeinenspätenTeetrinken,währendduobenherumschnüffelst.Wassollichdannmachen?«
»Lass dich von niemandem sehen«, flüsterte Rashed. »Das ist doch deine besondere Fähigkeit, oder? Verschmilz mit den Schatten.«
Ja, aber Rattenjunge fürchtete die Jägerin. Er erinnerte sich an die Schmerzen, die ihre Klinge verursacht hatte, an die Panik, als die Kraft aus seinen klaffenden Wunden geflossen war. Aber Rashed scherte sich nicht um seine Gefühle. Ihm ging es nur darum, dass sich Rattenjunge so verhielt, wie er wollte.
»Und wenn die Jägerin dich tötet?«, raunte Rattenjunge. »Du hast alle Antworten. Was mache ich dann?«
»Spiel nicht den Idioten.« Rashed richtete einen eisigen Blick auf ihn. »Kein sterblicher Jäger kann mich töten. Schleich dich jetzt hinein. Wir haben wenig Zeit, und ich möchte nicht mehr am Meer sein, wenn die Sonne aufgeht.«
Rattenjunge widerstand der Versuchung, zornig zu fauchen, als er zum Ende der Gasse kroch. Dies war die beste Zeit für den Angriff. Wenn alles gut ging, schliefen die Jägerin und ihre Begleiter. Dann konnten sie ihre Aufgabe schnell erledigen, die Leiche der Frau in der Bucht versenken und heimkehren. Am nächsten Tag würde es fast bis Mittag dauern, bevor jemand merkte, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Rattenjunge stellte nicht etwa Rasheds Intelligenz infrage, sondern sein Gebaren. Er behandelte alle wie seine Diene r – bis auf Teesha.
Ohne ein weiteres Wort huschte das Schmuddelkind über die Straße und zu der Ecke des Hauses, die einem der vorderen Fenster am nächsten war. Rattenjunge spähte durch die Fensterläden und sah kein Licht im dunklen Schankraum. Das Feuer im Kamin war aus. Einige Aschereste glühten.
Er holte einen Dolch mit dünner Klinge hervor und schob die Spitze zwischen die Kanten der Fensterläden. Rasch drückte er den inneren Riegel nach oben und öffnete das Fenste r – es war fast zu einfach. Er hätte gedacht, dass eine Jägerin ihr Haus besser sicherte. Rattenjunge klemmte sich die Klinge zwischen die Zähne und zog sich auf den Fenstersims. Er durfte nicht verlieren, wenn ihn der Hund ein zweites Mal angrif f – er würde dem Tier sofort die Kehle durchschneiden. Rashed hatte von »leise« gesprochen, aber vielleicht ließ es sich nicht vermeiden, dass Blut floss. Wenn ihm das nicht passte, sollte er selbst gegen den verdammten Hund kämpfen. Dann würde der eingebildete Kerl die Sache bestimmt anders sehen.
Rattenjunge schnupperte nach dem Geruch von Lebenden, aber der Schankraum war noch immer voll von dem Gestank, den schwitzende Seeleute, Bier und gebratenes Fleisch hinterlassen hatten. Niemand saß an den Tischen, niemand am Kamin. Inzwischen hatte Rashed vermutlich das Dach überquert und sich Zugang zum Obergeschoss verschafft. Vielleicht lief tatsächlich alles so glatt, wie er hoffte.
Rattenjunge ließ sich lautlos auf den hölzernen Boden fallen, duckte sich und blickte über die Tische hinweg. Aus dem Augenwinkel bemerkte er ein mattes Schimmern, drehte den Kopf und reckte den Hals.
Das silbrige Haar war in der Dunkelheit leicht genug zu erkennen. Fast am Ende der Theke saß der Halbelf der Treppe zugewandt und trank aus einem angelaufenen Blechbecher. Er wollte erneut daran nippen, überlegte es sich dann anders und ließ den Becher sinken. Seine Hand verschwand unter der Theke.
Er drehte den Kopf und blickte genau dorthin, wo Rattenjunge im Dunkeln hockte.
In Rattenjunge krampfte sich etwas zusammen. Natürlich war die Nachtsicht eines Halbelfen fast so gut wie seine. Er fragte sich, ob er seinen Dolch schnell
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