Dhampir - Halbblut
geschickt. Weder Arroganz noch Stolz steckten hinter dieser Einschätzung, sondern Realismus. Es hätte ihm innerhalb weniger Sekunden gelingen müssen, die Jägerin niederzuschlagen und zu töten, um anschließend mit ihrem Leichnam durch das Fenster zu verschwinden. Aber sie war nicht etwa schwächer geworden, sondern immer stärker und schneller, hatte jedem seiner Angriffe begegnen können.
Und sie hatte ihn so gebissen, als gehörte sie zu seiner Art.
Rashed erinnerte sich an die Wärme ihres Körpers, an das Pochen ihres Herzens, an den Geruch von lebendem Blut in ihren Adern. Sie war kein Vampir oder eine andere Edle Tote. Was war geschehen? Und sie hatte sein Gesicht gesehen. Es war nur eine Frage der Zeit und gestellter Fragen, bis ihn die Jägerin mit dem Lagerhaus in Verbindung brachte.
»Wir müssen diesen Ort verlassen«, murmelte er.
»Rashed!« Teeshas Stimme erklang auf der anderen Seite der Höhle.
Erleichterung durchströmte Rashed. Doch als er sich umdrehte und sie im Dunkeln sa h … Sie wankte auf ihn zu, und ihr Gesicht zeigte ebenso viel Furcht, wie er empfunden hatte, als er durchs Fenster gesprungen war, um seine Existenz zu retten. Er lief auf sie zu, und was er sah, ließ den Zorn zurückkehren.
Teesha hielt den halb bewusstlosen Rattenjungen am schmutzigen Kragen und zog ihn in die Höhle. Sie wirkte erschöpft. Sie hatte nie die große körperliche Kraft gehabt, durch die sich die meisten Edlen Toten auszeichneten. Vielleicht war es ein Ausgleich für ihre besonders ausgeprägten Talente in Hinsicht auf Gedanken und Träume, mit denen sie jagte. Selbst Rashed hatte manchmal die besänftigende und beruhigende Wirkung ihrer Stimme gefühlt.
»Jemand hat Knoblauchwasser auf Rattenjunge geschüttet«, sagte Teesha. »Ich hab ihn gefunden, als er am Meer umherkroch und versuchte, sich mit feuchtem Sand die Haut abzureiben. Ich musste einen Händler unten an der Küste töten, damit er die notwendige Nahrung bekam. Eine diskrete Suche nach einem Opfer war leider nicht möglic h – Rattenjunge brauchte viel Blut, und schnell. Ich habe die Leiche provisorisch im Sand vergraben. Zum Glück haben wir es gerade noch rechtzeitig vor Morgengrauen hierher geschafft, aber der Junge ist schwer verletzt.«
Rashed reagierte, indem er Rattenjunge vorn am Hemd packte, ihn hochhob und an die Höhlenwand drückte. Die Haut des Schmuddelkinds war noch immer teilweise geschwärzt und aufgerissen. Das geschah ihm recht für seinen Leichtsinn.
»Wegen dir sitzen wir hier fest«, zischte Rashed. »Die Jägerin könnte während des Tages hierherkommen und alles niederbrennen.«
Rattenjunges Augen waren schmale Schlitze, doch darin glühte Hass.
»Wie schade«, brachte er heiser hervor.
»Leise und kein Aufsehen, habe ich gesagt! Durch dich musste ich angreifen, bevor ich in der richtigen Position dafür war.« Das stimmte nur teilweise, aber es war nicht nötig, dass Rattenjunge und Teesha die ganze Wahrheit kannten.
»Und wer hat dich an der Schulter verletzt?« Rattenjunge machte große Augen und gab spöttisch Überraschung vor. »Hat sie dir wehgetan?«
RashedließihnfallenundholtemitderFaustzumSchlagaus.
Teesha hielt seinen Arm fest. Ihre Berührung genügte, um ihn innehalten zu lassen.
»Dies bringt uns nicht weiter«, sagte sie. Rashed hätte ihre Hand leicht abschütteln können, aber stattdessen senkte er den Arm. »Wir müssen alle Fallen vorbereiten und uns so tief wie möglich verstecken.«
Damit hatte sie natürlich recht. Bis zum Abend konnten sie nicht mehr nach draußen. Diesmal hatte Rashed die Nerven verloren, und das direkt vor ih r – so wütend war er über Rattenjunges Pfuscherei. Schnell fasste er sich wieder.
»Ja. Hilf du Rattenjunge. Ich bereite die Fallen vor und komme dann zu euch nach unten.«
Teeshas dünne Finger strichen ihm übers Gesicht. Sie schien sich darüber zu freuen, dass er wieder zu seinem alten Selbst gefunden hatte. »Ich kümmere mich um deine Schulter.«
»Nein, es ist alles in Ordnung. Geht nach unten.«
Vielleicht gelang es ihnen irgendwie, bis zum nächsten Abend zu überleben.
Leesil und Magiere warteten im Schankraum auf Konstabler Ellinwood. Bei Sonnenaufgang hatte Leesil einen auf der Straße vorbeikommenden Jungen angesprochen und ihm eine Münze dafür gegeben, mit der Nachricht von Beth-raes Tod zum Wachhaus zu laufen. Als er anschließend damit beginnen wollte, im Schankraum Ordnung zu schaffen, hielt Magiere ihn zurück.
»Dies
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