Dhampir - Seelendieb
schweigend fort, und schließlich verkündete der Kutscher: »Die ›Blaue Taube‹.«
Leesil hatte nicht darauf geachtet, wohin sie fuhren, und überrascht stellte er fest, dass sie wieder im Innenkreis der Stadt waren. Nichts in den Berichten hatte den Schluss zugelassen, dass die Spu r – wenn es eine wa r – hierherführte.
Der junge Adlige, der die blauäugige Frau gesehen hatte, wohnte im zweiten Kreis, in einem respektablen, aber nicht besonders reichen Viertel, und der Sohn des Gerbers im Außenkreis. Zu den drei Begegnungen war es also in unterschiedlichen Teilen der Stadt gekommen. Andererseits war es nicht undenkbar, dass ein Untoter so weit in Bela herumzog.
Magiere bezahlte den Kutscher und bat ihn zu warten. Dann trat sie neben Leesil und verlagerte das Gewicht vom einen Bein aufs andere. Das Bordell war ein protziger Steinbau mit zwei großen Kohlepfannen neben der himmelblauen Tür. Die Rollläden der ungewöhnlich kleinen Fenster waren heruntergelassen, damit niemand ins Innere sehen konnte. Als sie mit Chap dastanden und sich umsahen, kam ein älteres Paar vorbei und warf ihnen missbilligende Blicke zu.
»Ich bin noch nie in einem Bordell gewesen«, sagte Magiere schließlich.
Leesil sah sie an und lächelte. »Ich auch nicht. Wie schlimm ist das?«
»Für wen?«, erwiderte sie leise. »Für dich oder die Frauen?«
»Natürlich für die Frauen«, sagte Leesil. »Wie ich gehört habe, gibt es in solchen Etablissements Unterhaltung aller Art. Einige bieten sogar Knaben an, und ich weiß von einem in den Kriegsländern mit einer großen Dogge, di e … «
»Schon gut.« Magiere ergriff ihn am Arm, zog ihn die Stufen hoch und klopfte an die Tür.
Ein riesiger Mann öffnete und musterte sie überrascht. Sein Kopf war ebenso kahl wie das breite Kinn, und dunkle, fast schwarze Augen starrten die Besucher an. Doch sein auffälligstes Merkmal war die dunkelbraune Haut. Er trug eine dunkelgrüne Hose und eine offene Weste ohne Hemd. Der Griff eines Streitkolbens ragte an der Seite hinter einem roten, mehrmals um die Taille geschlungenen Seidengürtel hervor.
»Ihr seid zu früh«, sagte der Riese.
»Äh, nei n … «, erwiderte Magiere verlegen. »Du verstehst nicht. Wir suchen einen Mann namens Koh’in ib’Sune. Ist er da?«
Der Hüne füllte die ganze Tür aus.
»Ich bin Koh’in. Aber ich kenne euch nicht.«
Leesil hörte, dass er mit einem glatten, fließenden Akzent sprach, wie Lord Au’shiyn vom Stadtrat.
»Wir arbeiten mit der Stadtwache zusammen«, log er. »Wir möchten mit dir über einen Bericht reden, der eine Frau mit kristallblauen Augen erwähnt, die dich angegriffen hat. Es gibt noch andere Berichte, und wir versuchen, eine Verbindung zwischen ihnen zu finden.«
Die Strenge wich nicht aus Koh’ins Miene. »Ihr seht nicht wie Stadtwächter aus.«
»Wir sind auch keine«, sagte Leesil. Erschöpfung ließ ihn ehrlich werden. Offenheit schien hier die einzige Möglichkeit zu sein. »Wir sind Vampirjäger und arbeiten für die Stadtwache. Können wir hereinkommen?«
Koh’in blinzelte zweimal, und vage Sorge erschien in seinem Gesicht.
»Kommt mit in die Küche«, sagte er und trat langsam zur Seite. »Es hat meiner Herrin missfallen, dass ich den Vorfall gemeldet habe. Sie glaubt, das könnte dem Geschäft schaden.«
Mit einem kurzen Blick über die Schulter führte er die Besucher in den rückwärtigen Teil des Hauses.
Leesil war neugierig auf den Salon, doch vom Foyer aus konnte er nur einen kurzen Blick hineinwerfen, bevor er den Weg zur Küche fortsetzen musste. Kissen aus glänzendem Stoff lagen auf Diwanen und Sofas, und schwere Vorhänge waren an den Fenstern zugezogen. Leesil folgte Koh’in und sah, wie sich die Rückenmuskeln unter der Weste des riesenhaften Mannes abzeichneten. Vermutlich genügte seine Präsenz, um bei den Gästen dieses Hauses gute Manieren zu garantieren.
Die Küche war ordentlich und gut ausgestattet, mit Töpfen in Regalen und einem Herd, in dem ein kleines Feuer brannte. Eine wunderschöne, sehr gut gebaute Frau mit einer Mähne aus kastanienbraunem Haar saß am Küchentisch und trank Tee, während eine liebliche blonde Nymphe ihr das Haar richtete. Sie trugen ähnlich beschaffene, bernsteinfarbene Seidengewänder, bestickt mit weißen Rosen.
»Das ist Brita«, sagte Koh’in respektvoll und deutete auf die Sitzende. Dann zeigte er auf die andere Frau. »Und die junge Natascha. Sie bereiten sich gegenseitig vor, während wir
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