Dhampir - Seelendieb
Straße, auf der die eine oder andere Kutsche unterwegs war. Er durfte nicht mit leeren Händen heimkehren.
Eile war immer gefährlich, aber diesmal konnte er sich keine Zeit für eine vorsichtige Auswahl nehmen. Als er durch Nebenstraßen ging, hielt er in Gassen nach Bewegung Ausschau und lauschte nach schwerem Atem. Hinter einer Taverne fand er einen tief schlafenden Betrunkenen. Chane ging rasch zu ihm und versetzte ihm einen Schlag ans Kinn, um dafür zu sorgen, dass er so bald nicht erwachte.
Dann hob er den Bewusstlosen hoch, kehrte mit ihm zur Straße zurück, hielt ihn dort mit einem Arm und winkte eine Kutsche heran.
»Zu viel Bier«, sagte er zum Kutscher. »Ich muss meinen Freund nach Hause bringen.«
Er nannte eine Adresse, die zwei Häuserblocks von seinem Haus entfernt wa r – den Rest des Wegs wollte er gehen, um nicht zu riskieren, dass der Kutscher sein wahres Ziel sah. Während die Kutsche durch die Straßen rollte, wiederholte Chane in Gedanken immer wieder ein Wort.
Anmaglâhk .
10
Der Morgen dämmerte, aber Magiere und Leesil saßen noch immer auf dem Bett, neben dem schlafenden Chap. Sie sprachen über Vergangenheit und Gegenwart, auch darüber, wie sie den Adligen aus Magieres Vision finden konnten. Trotz all der Dinge, die in dieser Nacht geschehen waren, reagierte Magiere nicht mit Bestürzung auf Leesils Beichte. Die offensichtlichen Schuldgefühle in Hinsicht auf sein früheres Leben weckten in ihr den Wunsch, ihn zu trösten, aber sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte. Einige seiner Worte hallten in ihr nach.
Bis ich dir begegnete und wir mit einer ganz neuen Runde des Tötens begannen.
Schuld war ein Gefühl, das Magiere nur selten belastet hatte, aber in den vergangenen beiden Monaten war sie oft genug davon heimgesucht worden. Vielleicht schuf das eine Verbindung zwischen ihnen, obwohl sich ein Teil von ihr vor einer engeren Beziehung fürchtete.
»Was macht die Schwellung?«, fragte Magiere und beobachtete Chap.
»Sie ist besser geworde n – er erholt sich schnell«, erwiderte Leesil. »Einige Stunden Schlaf und ein ordentliches Frühstück bringen ihn wieder auf Vordermann. Oh, da fällt mir ei n … « Er griff in sein Hemd und holte einen lavendelblauen Fetzen hervor. »Dies hilft uns kaum dabei, deinen Adligen zu finden, aber vielleicht kommen wir damit der missratenen Untoten von gestern Abend auf die Schliche. Wenn es eine Verbindung zwischen ihnen gib t – umso besser.«
Magiere sah auf den Stofffetzen hinab und spürte, wie der alte Zorn kurz zurückkehrte, aber diesmal wusste sie, dass er fehl am Platz war.
»Hast du das Luder wirklich nicht als Untote erkannt?«, fragte sie und versuchte, das Gift aus ihrer Stimme herauszuhalten.
»Ich habe sie mir nicht einmal genau genug angesehen, um zu begreifen, dass sie der Beschreibung entsprach«, erwiderte Leesil. »Bis sie auf meinen Schoß sank, und wenige Sekunden später kamst du mit Chap hereingeplatzt.«
Magiere fühlte, wie sie errötete. Sie wollte das Thema wechseln, als es an der Tür klopfte.
»Ich kann mich nicht daran erinnern, das Frühstück ans Bett bestellt zu haben«, sagte Leesil.
Magiere sah, wie sich seine rechte Hand kurz bewegte, bereit dazu, das Stilett aus der Unterarmscheide gleiten zu lassen. Sie wusste jetzt, wie und wozu er diese Dinge gelernt hatte, und die knappe Bewegung ließ sie innerlich schaudern. Leesil stand auf, öffnete die Tür erst einen Spaltbreit und dann weiter.
Eine junge Frau stand im Flur, gekleidet in einen grauen Umhang. Magiere erinnerte sich daran, dass sie ihr im Rathaus begegnet waren. Ein langer brauner Zopf reichte ihr über die Schulter.
»Entschuldigt bitte, dass ich euch so früh störe«, sagte sie sanft und mit einem Akzent, den Magiere nicht deuten konnte. »Meister Tilswith schickt mich zu euch.«
»Wer bist du?«, fragte Magiere.
»Ich heiße Wynn Hygeorht und bin Lehrling in der Gilde der Weisheit. Mein Lehrer ist Domin Tilswith, der Leiter der hiesigen Gildenniederlassung. Wir wohnen in der alten Kaserne des Innenkreises. Der Domin hat gestern Abend ›Hunde und Füchse‹ mit Ratsmitglied Lanjow gespielt, als sie die Kunde vom Zwischenfall im ›Eschenwald‹ erreichte.«
»Oh, das ging schnell«, murmelte Leesil und wich beiseite, um die junge Frau eintreten zu lassen. »Ich dachte, wir könnten wenigstens frühstücken, bevor man uns darauf anspricht. Wer hat euch davon berichtet? Die Stadtwache?«
»Ja«, antwortete Wynn. Sie sah
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