Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Bescheid, die dann zu Euch kommen wird.«
»Ich kann der Herzogin sagen, was ich herausgefunden habe«, erwiderte Wynn. »Aber wenn sie es hört, möchte sie bestimmt mehr wissen. Und das gilt auch für Asche-Splitter.«
Erz-Locken war bereits damit beschäftigt, die Texte vorsichtig in die Truhen zurückzulegen. Bollwerks nächste Worte galten ihm.
»Du kannst gehen. Begib dich zu Amarant und hilf ihr, bis du gerufen wirst.«
Erz-Locken stapfte durch die Höhle, und Wynn ließ die Schultern hängen. Sie bückte sich, um ihre Sachen einzusammeln, und sah nicht, wie Erz-Locken in den Stein trat.
Eine verzweifelte Idee kam ihr.
Das feuchte Tagebuch, das sie mitgebracht hatte, lag bei den fünf anderen, den älteren von ihren Reisen in den Fernländern. So abgenutzt sie auch sein mochten, man konnte sie unmöglich für einen Teil der alten Texte halten. Und Bollwerk konnte nicht wissen, was sie mitgenommen oder hier gefunden hatte.
Wynn schloss das feuchte Tagebuch und legte es auf die fünf anderen.
Täuschung und Lügen, Drohungen und Zwang – jetzt konnte sie dieser unerfreulichen Liste auch noch Diebstahl hinzufügen. Andererseits … Sie nahm nur das wieder an sich, was man ihr gestohlen hatte.
Wynn hob ihren Federkiel und das Tintenfässchen auf und steckte beides zusammen mit dem Kaltlampen-Kristall ein. Mit den sechs Tagebüchern unterm Arm richtete sie sich schließlich auf.
Meister Bollwerk ergriff ihren anderen Arm und zog sie zur Wand.
Wynn holte rasch Luft und fürchtete sich vor dem, was ihr nun bevorstand.
22
Reine legte sich aufs Sofa des Wohnraums, während Frey in der Nebenhöhle ruhte, die als Schlafzimmer diente. Chuillyon stand vor den steinernen Bücherregalen, suchte aber nicht nach etwas zu lesen.
Die Herzogin wusste, dass sich die Familie nicht nur wegen seiner Weisheit auf ihn verließ. Wann immer es möglich war, begleitete er jene, die das königliche Gelände verließen, aber bis zum Erscheinen des schwarzen Magiers hatte Reine den Grund dafür nicht ganz verstanden. Er hatte das Feuer des Magiers aufgehalten, und sie fragte sich, wer oder was er wirklich war.
Das Erscheinen von Tristan in der Tür des Wohnraums unterbrach sie bei ihren Überlegungen.
Hinter dem Hauptmann kam Danyel aus dem Gang und schloss die äußere Tür der Höhle mit dem Becken. Seltsamerweise erleichterte es Reine, Tristan wiederzusehen. Er war wie die östlichen Steppen ihres Heimatlands: unerschütterlich und dauerhaft. Er stellte das Herz der Weardas dar – er war der Wächter.
»Hast du Dorn-im-Wein helfen können?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ein Steingänger, der vor den Clan-Oberhäuptern erscheint, räumt die meisten Zweifel aus. Man hat die anderen Siedlungen benachrichtigt. Sechs Krieger-Wächter bewachen alle Portale der Unterwelt. Weitere sind in Meerseite unterwegs und halten Ausschau. Die Präsenz so vieler Wächter weist den schwarzen Magier vielleicht in seine Schranken.«
Sein Gleichmut hätte andere getäuscht, aber Reine wusste es besser. Was konnten sie gegen einen Feind unternehmen, der imstande war, überall zu erscheinen? Solange der schwarze Magier lebte, gab es auch für Frey in der Höhle mit dem Becken keine Sicherheit.
Tristan wechselte einen Blick mit Chuillyon, verlagerte dann wie unsicher – was ganz und gar nicht typisch für ihn war – das Gewicht vom einen Bein aufs andere. Chuillyon räusperte sich.
Unbehagen erfasste Reine.
»Hoheit«, begann er, »der Hauptmann hält es für das Beste, wenn er beim Prinzen bleibt. Danyel und ich bringen Euch …«
»Nein«, unterbrach sie ihn.
»Hoheit.« Diesmal versuchte es Tristan. »Ich kann den Prinzen vor sich selbst schützen. Es ist wichtig, dass Ihr in Sicherheit seid. Die Familie kann es sich nicht leisten, Euch zu verlieren.«
»Ich bleibe hier«, sagte Reine. »Um Frey zu schützen, genügt es nicht …«
»Ihr werdet gebraucht!«, sagte Chuillyon scharf. »Wenn Ihr so wenige Jahre nach dem angeblichen Tod des Prinzen verschwinden würdet … Wie sollte das dem Volk erklärt werden?«
Reine schnaubte. »Im Volk gibt es viele, die mich noch immer für schuldig halten, trotz der mich entlastenden Berichte von Rodian. Ich bin den Âreskynna kaum eine Hilfe, eher eine Last. Wollen wir hoffen, dass dies ohne Auswirkungen auf das Bündnis mit meinem Land bleibt.«
»Faunier und Malourné sind alte Verbündete«, sagte Chuillyon. »Fast von ihrer Gründungszeit an. Euer Status als
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