Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
und die physische Präsenz der Einfassungssteine ausblendete, offenbarte sich ihr ein Gitter aus kantigen Eisenstäben. Dahinter zeigten sich kleinere, runde Objekte, die vermutlich ebenfalls aus Metall bestanden, und vertikale Streben in der Wand.
Dies musste ein Mechanismus für die Öffnung des Portals sein, doch die Wand war mindestens einen Meter dick. Nicht einmal Chane konnte ein Loch hineinschlagen, um an die Vorrichtung zu gelangen. Das Portal musste von der anderen Seite aus geöffnet worden sein, aber wie hatte die betreffende Person den Raum erreicht?
Wynns Willenskraft ließ nach, und die Übelkeit wurde stärker. Sie schloss die Augen, sackte in sich zusammen und spürte, wie sich starke Arme um sie schlangen. Schatten begann zu knurren.
»Zurück!«, zischte Chane.
Zähne klackten, und Wynn drehte sich in Chanes Armen zur Seite. Sie hob den Kopf und öffnete die Augen einen Spaltbreit.
Dort stand Schatten, eine glitzernde dunkle Gestalt, von einer blauweißen Aura umgeben. Ihre Augen strahlten so hell, dass es Wynn schmerzte. Doch die Hündin hörte auf zu knurren.
Schatten sah nicht Chane an, sondern blickte Wynn in die Augen.
Plötzlich stieg eine Erinnerung in der jungen Weisen auf, kein Bild, sondern eine Empfindung: Eine warme Zunge strich ihr mehrmals übers Gesicht, und es fühlte sich an, als wären ihr Augen noch geschlossen. Sie waren geschlossen gewesen – bei einer anderen Gelegenheit –, als sie ihre mantische Sicht benutzt hatte, um Chap im Elfenwald der An’Cróan zu finden.
»Lass mich los«, flüsterte sie.
Chanes Arme gaben Wynn frei, und sie sank erneut auf die Knie.
Schatten sprang so abrupt auf sie zu, dass sie instinktiv nach ihrem Nacken griff. Schattens Zunge leckte ihr übers Gesicht, und Wynn schloss die Augen, fühlte feuchte Wärme auf den Lidern.
Die Übelkeit ließ nach, als sie sich an Schattens Hals festhielt.
Sie wusste nicht, wo die Hündin Chaps Trick gelernt hatte, die mantische Sicht zu neutralisieren, aber als die Übelkeit aus ihr verschwand, breitete sich Verzweiflung aus.
»Geht es dir gut?«, fragte Chane. »Was hat sie gemacht?«
Wynn umarmte Schatten stumm.
»Wynn?«, drängte Chane. »Was ist mit der mantischen Sicht?«
»Sie ist weg«, antwortete die junge Weise.
Doch die eiserne Tür war noch immer geschlossen, und es gab keinen anderen Weg in den Raum.
»Nach all den Mühen«, brachte Wynn hervor. »Die Reise nach Meerseite, Hammer-Hirschs Tod, die Steingänger im Amphitheater … Wir treten auf der Stelle.«
Sie hatte gehofft, mit Schattens Erinnerungen weiterzukommen und auf den hässlicheren Plan verzichten zu können.
Chane ging neben ihr in die Hocke.
»Es ist nicht vorbei«, flüsterte er. »Welstiel und ich haben bestimmt ebenso viele Türen geöffnet wie … Leesil. Aber wir haben dabei eine Mischung aus Einschüchterung und Manipulation verwendet. Du und ich, wir müssen einfach …«
Er sprach nicht weiter. Wynn setzte sich auf, die Arme noch immer um Schattens Hals geschlungen.
»Erz-Locken!«, krächzte Chane. »Wie dumm ich doch gewesen bin!«
»Was ist mit ihm?«
Er kniff die Augen zusammen, wie ein Raubtier, das seine Beute schließlich in die Enge getrieben hatte. Es war ein Gesichtsausdruck, der Wynn ganz und gar nicht gefiel.
»Splitter hat dir doch erzählt, dass ihr Bruder früher manchmal zur Schmiede kam«, sagte Chane. »Die Schmiede befindet sich auf der anderen Seite des Berges.«
»Ja. Und?«
»Die Steingänger kamen zum Amphitheater in Alt-Seatt, angeblich ohne gerufen worden zu sein. Aber du hast selbst darauf hingewiesen, dass von Meerseite kein Aufzug nach Alt-Seatt führt.«
Wynn glaubte, eine Verbindung zu sehen, wusste aber noch nicht genau, worin sie bestand. »Die beiden Siedlungen liegen weit auseinander«, erwiderte sie verwirrt. »Klöpfel meinte, dass Steingänger nie gesehen werden.«
»Verstehst du denn nicht?«, entgegnete Chane. »Wie können sie an so fernen Orten erscheinen, ohne unterwegs bemerkt zu werden oder eine Tram zu benutzen? Wenn sie hier einen Zugang benutzten, hinter dieser Tür … Wie konnte Erz-Locken dann seine Familie besuchen? In Meerseite muss es …«
Sie beendeten den Satz zusammen »… ein weiteres Portal geben.«
»Vielleicht gibt es eins in jeder Siedlung«, fügte Chane hinzu.
Wynn blinzelte und schien mit sich selbst zu hadern. »Ich hätte daran denken sollen.«
»Normalerweise beschäftigen sich Weise mit anderen Dingen.« Chane schüttelte den
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