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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
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Wahrscheinlich stammte die Mitteilung von Hauptmann Rodian, aber sie fragte sich, warum er eine Nachricht schickte und nicht persönlich kam. Vermutlich wusste er von dem Angebot in Hinsicht auf das Übersetzungsprojekt, das Hochturm ihr gemacht hatte. Wollte er wissen, ob sie schon etwas über den Inhalt der Folianten herausgefunden hatte?
    »Danke … «, erwiderte sie und merkte plötzlich, dass sie den Namen des Lehrlings nicht kannte. Es spielte keine Rolle, denn er eilte bereits davon.
    Wynn verließ den Gemeinschaftsraum und ging über den Hof. Ein überraschender Anblick erwartete sie, als sie sich dem Wachhaustunnel näherte. Das alte Fallgatter war heruntergelassen worden. Wynn konnte sich nicht daran erinnern, es jemals geschlossen gesehen zu haben.
    Hinter den Eisenstäben des Gatters, die so dick wie ihre Unterarme waren, stand ein kleiner Junge, und es erstaunte sie, dass er um diese Zeit allein unterwegs war. Er trug abgerissene Kleidung und wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab. Dann sah er sie kommen.
    »Bist du Wynn?«, fragte er.
    Was dachte sich Rodian dabei, ein kleines Kind zu schicken?
    »Ja«, antwortete sie und fragte sich, ob sie jemanden suchen sollte, der den Jungen nach Hause begleitete. Sie selbst konnte das Gelände der Gilde nicht verlassen. »Hast du eine Nachricht für mich?«
    Er streckte eine kleine Hand durchs Fallgatter und reichte ihr einen zusammengefalteten Zettel. Es stand keine Adresse darauf.
    Wynn zögerte. Rodian würde ihr nicht auf diese Weise eine Nachricht senden. Er legte Wert darauf, dass alles seine Ordnung hatte, hätte gutes Papier und einen Umschlag verwendet und ihre Adresse daraufgeschrieben. Das äußere Erscheinungsbild war ihm wichtig.
    Wynn suchte in ihren Taschen, fand aber nur zwei Silbergroschen. Selbst einer wäre für den Kurierdienst des Jungen zu viel gewesen.
    »Danke für deine Mühe«, sagte sie und gab ihm trotzdem eine Münze. »Kehr sofort heim. Es ist schon spät.«
    Der Junge brummte etwas und lief fort.
    Wynn wartete, bis er außer Sicht war, ging dann wieder über den Hof. Bei den Kohlenpfannen eines Wachhauses blieb sie stehen, entfaltete den Zettel und las.
    Wir treffen uns hinter den Ställen südlich der Gildenhäuser. Ich muss mit dir reden.
    Eine Unterschrift fehlte. Die Mitteilung war nicht auf Numanisch geschrieben, sondern auf Belaskisch. Sie erkannte die Schrift auf den ersten Blick.
    Chane.
    Wynn machte sich keine Vorwürfe, aber sie wusste, dass vermutlich sie der Grund war, der Chane zur Reise nach Calm Seatt veranlasst hatte. Der Gedanke an ihn brachte gemischte Gefühle. Sie atmete mehrmals tief durch, las die Mitteilung dann noch einmal.
    Sie würde natürlich zu dem Treffpunkt gehen, wenn auch nur, um herauszufinden, warum er hierhergekommen war und damit sein Versprechen gebrochen hatte, sie in Ruhe zu lassen. Außerdem wollte sie wissen, in welchem Zusammenhang er mit den Morden und verschwundenen Folianten stand und was er, mit der Ledermappe in der Hand, in Meister a’Seatts Skriptorium gemacht hatte.
    Wynn sah auf, als zwei Lehrlinge durch den Haupteingang kamen und zum Gebäude auf der südlichen Seite gingen, in dem sich ihre Zimmer befanden. Sie konnte nicht durchs vordere Tor gehen, und sie brauchte noch einige Dinge, bevor sie Chane gegenübertrat.
    Sie wartete, bis die beiden Lehrlinge ihre Unterkünfte in dem Gebäude erreicht hatten, und eilte dann zu ihrem Zimmer. Dort angekommen schloss sie die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Ein drittes Mal las sie die Mitteilung und erinnerte sich daran, wie Chane zum ersten Mal zur Gilde in Bela gekommen war, als attraktiver junger Gelehrter. Und dann die grässliche Nacht im Wald von Apudâlsat, als Magiere ihm den Kopf abgeschlagen hatte. Das dritte Erinnerungsbild zeigte ihn hoch oben in den Pockenhöhen, in Li’käns Bibliothek, sein Gesicht sehr ernst, als er ihr versprach:
    Ich werde dir nicht mehr folgen. Du wirst mich nie wiedersehen.
    Die Worte hatten Schmerz gebracht, und auch Erleichterung. Jetzt spürte sie beides erneut.
    Wynn nahm den Kristall aus ihrer Kaltlampe und steckte ihn ein, bevor sie ihre Truhe öffnete und einen warmen Mantel herausholte. Dann drehte sie sich um und bemerkte etwas anderes.
    Der Stab lehnte in einer Ecke, der Sonnenkristall an seinem Ende von einer ledernen Schutzhülle umgeben.
    Unter Domin il’Sänkes Anleitung hatte sie nur einmal versucht, den Kristall zum Leuchten zu bringen. Sie hatte ihm nur ein schwaches

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