Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
Meldung, und sie betraf Wynns sonderbaren Wolf, der nach dem Dunkelwerden zurückgekehrt war – nachdem er eine von Pawl a’Seatts Schreiberinnen nach Hause begleitet hatte. Sonst hatten die Wächter niemanden gesehen, der das Gildengelände nach Einbruch der Nacht verließ oder betrat.
Der Hauptmann nahm seinen Mantel. »Lass das Geschirr wegräumen und Schneevogel satteln.«
»Wohin willst du?«, fragte Garrogh.
»Zur Gilde«, sagte Rodian.
»Ich komme mit.«
Rodian versteifte sich. »Wie bitte?«
»Du bist nicht mehr du selbst«, sagte Garrogh und verschränkte die Arme. »Bei dieser Sache mit der Gilde bist du wie ein Hund, der nicht aufhört, sich in den Schwanz zu beißen. Die Männer wollen ihren Hauptmann zurück, und deshalb begleite ich dich. Um zu verhindern, dass du dir den Schwanz abbeißt … Herr.«
Rodian war sprachlos. Ärger erfasste ihn, und er öffnete den Mund, um Garrogh zurechtzuweisen. Dann erinnerte er sich an die vielen Berichte auf seinem Schreibtisch und fühlte sich plötzlich müde. Er hatte seine Pflichten vernachlässigt; kein Wunder, dass es Garrogh für nötig hielt, ihn vor sich selbst zu schützen.
»Na schön«, erwiderte er. »Aber wenn wir dort sind, wartest du auf dem Hof. Ich muss noch einmal mit der Reisenden sprechen. Sie ist … seltsam und vielleicht nur bereit, mit mir zu reden.«
»Natürlich, Herr.«
Sie gingen zum Stall und sattelten ihre Pferde selbst.
Garroghs rotbrauner Wallach beschwerte sich wie üblich darüber, nach draußen in die Kälte geführt zu werden. Er stampfte mit den Hufen, warf den Kopf hin und her und biss ins Zaumzeug.
»Wenn du das nächste Mal ein Pferd beantragst, wähle ich es für dich aus«, spottete Rodian.
»Nur weil du sanftere, zierlichere Pferde magst, heißt das noch lange nicht, dass ich deinen Geschmack teilen muss«, entgegnete Garrogh.
»Meine Schneevogel könnte deinen Wallach in Grund und Boden laufen.«
Garroghs trotzige Antwort hatte neuen Ärger in Rodian geweckt. Zusammen mit anderen Dingen hatte er vergessen, wie empfindlich sein Stellvertreter sein konnte. Und es fühlte sich besser an, etwas zu tun, als immer nur herumzusitzen und zu grübeln. Vielleicht hatte Wynn etwas gefunden, das ihm dabei helfen konnte, die Wahrheit zu beweisen. Er hoffte nur, dass sie darauf verzichtete, erneut Untote und dergleichen zu erwähnen. Der Mörder war jemand aus Fleisch und Blut, kein Geschöpf, das nur in törichten Legenden existierte. Vielleicht gab ihm Wynn Informationen, mit denen er il’Sänke festnageln konnte, ohne dass ihm die Königlichen erneut Steine in den Weg legten.
Kurze Zeit später näherten sich Rodian und Garrogh dem halb offenen Tor der Gilde. Es war nie verriegelt, aber Rodian störte sich daran, dass es halb geöffnet war. Er sah zum Fallgatter und hielt vergeblich nach den Wächtern Ausschau.
»Wo ist Lúcan?«, fragte Rodian. »Und wer hält zusammen mit ihm Wache?«
Garrogh sah sich um. »Keine Ahnung, wo er steckt. Ulwald sollte heute Abend mit ihm Wache halten. Zwei weitere Wächterpaare sind entlang der Mauern auf Streife, und noch einmal zwei befinden sich im Wachhaus, als Ablösung während der Nacht.«
Rodian ritt zum Fallgatter.
»Aufmachen!«, rief er.
Einer seiner Männer bestätigte den Befehl von oben, und dann wurde das Gatter hochgezogen. Rodian duckte sich und wollte auf den Hof reiten, bevor das Fallgatter ganz oben war.
»Hauptmann?«
Er zügelte Schneevogel und richtete sich auf. Lúcan und Ulwald liefen an der Mauer entlang auf ihn zu.
»Wieso habt ihr euren Posten verlassen?«, fragte Garrogh scharf.
Lúcan blieb stehen, und sein Blick ging zwischen dem Leutnant und Rodian hin und her.
»Wir haben ein Geräusch bei den Bäumen am Westturm gehört«, sagte Ulwald.
»Ihr habt etwas gehört?«, erwiderte Rodian. »Was?«
»Wir sind nicht sicher, Herr«, antwortete Lúcan. »Etwas Großes schien sich dort zu bewegen.«
Ulwald bestätigte diese Worte mit einem Nicken.
»Warum ist nicht einer von euch allein gegangen?«, herrschte Rodian die beiden Männer an. »Oder ihr hättet euch von den Wächtern im Wachhaus am Fallgatter vertreten lassen sollen!«
»Du hättest das Geräusch hören sollen, Herr!«, platzte es aus Lúcan heraus. »Andere haben es gehört. Zum Beispiel Gael gestern Abend … «
»Das Tor darf nicht unbewacht bleiben!«
Beide Männer versteiften sich, als ihnen klar wurde, dass sie gegen die Anweisungen verstoßen hatten.
»Ja, Hauptmann«,
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