Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
Entweder sucht Ihr nach ihnen oder meine Männer übernehmen das. Und ich warte weder auf Eure Erlaubnis noch auf die der Premin.«
Der Zwerg stapfte voller Zorn fort, und Rodian ging vor dem Torbogen auf und ab. Viele neugierige Blicke trafen ihn, und eine Gruppe flüsternder Mädchen begleitete Regina, als sie selbstgefällig zum Tisch zurückkehrte. Als Hochturm kurze Zeit später im anderen Zugang des Saals erschien, wusste Rodian, dass seine Suche vergeblich geblieben war.
Er dachte an Lúcan und Ulwald; sie würden während des ganzen nächsten Monats im Grauland-Reich auf Streife gehen.
Hochturm marschierte durch den Saal, die Hände auf den Rücken gelegt. Rodian beobachtete ihn, doch seine Gedanken waren woanders. Es gab nur eine Möglichkeit, wie Wynn, il’Sänke und der Wolf das Gildengelände verlassen hatten: Jemand musste Lúcan und Ulwald vom Tor weggelockt haben.
Dafür kam nur Ghassan il’Sänke infrage.
Fast hätte Rodian den Zwerg gefragt, ob er wusste, wie der Sumaner dies angestellt hatte. Wenn il’Sänke wirklich der Mörder war und über solche Tricks verfügte, hätte er sie wohl kaum mit jemandem geteilt.
»Wohin können sie gegangen sein?«, fragte er stattdessen.
Der Zwerg suchte nach Worten. »Ich weiß nicht, warum sie die Gilde am Abend verlassen sollten, und es ist mir ein Rätsel, wohin sie gegangen sein könnten. Il’Sänke ist nicht so dumm, sich einfach auf den Weg zu machen, ohne jemandem zu sagen, was er vorhat.«
Wieder konnte Rodian mit Hochturms Antwort nichts anfangen.
»Herzlichen Dank für Eure Hilfe«, sagte er kühl.
Rodian verließ das Hauptgebäude und schritt durch den Wachhaustunnel. Dort wartete Garrogh mit den Pferden auf ihn.
»Sie ist schon wieder verschwunden!«, stieß er hervor und machte keinen Hehl aus seinem Ärger. »Zusammen mit dem sumanischen Weisen! Niemand weiß, wie sie die Gilde verlassen haben. Sie müssen irgendwo in der Stadt sein.«
Er schwang sich auf Schneevogels Rücken und trieb sie an. Aber wo sollten sie mit der Suche beginnen?
»Sie ist mit dem Mörder allein«, sagte er und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Wohin könnte sie gegangen sein?«
Eigentlich sprach er mit sich selbst, aber Garrogh antwortete: »Sie ist zweimal verschwunden, und beide Male ging sie zu a’Seatts Skriptorium.«
Rodian sah seinen Stellvertreter an. Am ersten Abend, als er Wynn im Innern des Skriptoriums angetroffen hatte, war sie bei Imaret gewesen. Und Rodian glaubte noch immer, dass Pawl a’Seatt etwas verbarg.
»Ja«, sagte er. Es war zumindest ein Ort, an dem sie mit der Suche beginnen konnten.
Aber wie würde il’Sänke reagieren, wenn Rodian sie fand und versuchte, Wynn mitzunehmen? Der Magier musste einen Grund haben, warum er mit der jungen Weisen aufgebrochen war. Gab es einen Zusammenhang mit den Übersetzungen, zu denen Wynn Zugang bekommen hatte?
Rodian zügelte Schneevogel außerhalb des Tors, und Garrogh hielt neben ihm an. Es hätte zu lange gedauert, weitere Männer kommen zu lassen. Die Umstände zwangen Rodian, den Anweisungen zu widersprechen, die er vor wenigen Minuten gegeben hatte, denn er brauchte mindestens einen der Wächter.
»Lúcan! Wo ist dein Pferd?«
Der Mann deutete verwundert an der Mauer entlang. »Dort drüben, Herr.«
»Hol es und komm mit uns!«
18
Wynn ging langsam über die Straße zum »Aufrechten Federkiel« und gab sich den Anschein, etwa erledigen zu müssen, von dem sie nicht sonderlich begeistert war. Sie setzte langsam einen Fuß vor den anderen und fürchtete dennoch, zu schnell zu sein und sich zu weit zu entfernen. Wenn sie das Skriptorium mehr als einen Häuserblock weit hinter sich ließ, mochten Chane und Schatten unruhig werden und versuchen, ihr durch die Gasse hinter den Läden zu folgen. In dem Fall wäre sie zu lange aus ihrer Sicht verschwunden.
Die Straße war leer, als sie am Geschäft des Silberschmieds und dann an der Parfümerie vorbeikam. Schließlich erreichte sie die Kreuzung und blieb beim Laden des Kerzenmachers stehen.
»Mist!«, flüsterte sie, gab vor, etwas vergessen zu haben, und machte kehrt.
Wynn versuchte, sich ruhig zu geben, aber ihre Anspannung wuchs immer mehr. Domin il’Sänke hatte den Sonnenkristall, und sie war vollkommen wehrlos. Immer wieder dachte sie daran, wie der Wrait am vergangenen Abend in ihrem Zimmer erschienen war, in schwarzen Stoff gehüllt, der vielleicht seine Totenkleidung gewesen war.
Ein Untoter, aber ganz anders als jene,
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