Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
sich anschickte, so weit nach Süden zu segeln. Er wollte eine weitere Frage an il’Sänke richten, doch Hochturm kam ihm zuvor.
»Bestimmt könnt Ihr Bürger finden, die il’Sänke bei den Docks gesehen haben, denn dort sind immer Leute unterwegs – immerhin ist Calm Seatt der wichtigste Hafen im Norden! Nun, wenn das alles ist, schlage ich vor, dass Ihr und Eure Männer damit beginnt, Eure Fragen dort zu stellen.«
»Warum waren Jeremy und Elias nach dem Dunkelwerden unterwegs?«, fragte Rodian. »Gestern Abend scheint Ihr wegen einer Ledertasche besorgt gewesen zu sein, die die beiden jungen Männer bei sich hatten.«
Wieder herrschte Stille, aber diesmal lag Anspannung in ihr. Il’Sänke kniff ein wenig die Augen zusammen, und Rodian bemerkte, wie sich Skyions schmale Schultern leicht zur Seite neigten.
»Die Ledertasche hat nichts mit ihrem Tod zu tun«, sagte die Premin ruhig. »Und das Bedauern über ihren Verlust ist nicht annähernd so groß wie unsere Trauer über den Tod von zwei Gildenbrüdern. Die Arbeit, die sich in der Tasche befand, kann wiederholt werden.«
Die subtile Veränderung in Skyions Stimme entging Rodian nicht, und er gelangte zu dem Schluss, einen wunden Punkt berührt zu haben.
Der Diebstahl jener Ledertasche war vielleicht nur ein zufälliger Diebstahl, der in keinem direkten Zusammenhang mit dem Mord stand. Aber ihr Inhalt schien diesen drei Personen durchaus etwas zu bedeuten.
»Gestern Abend wies Meister a’Seatt darauf hin, dass Ihr Entwürfe geschickt habt, von denen saubere Abschriften angefertigt werden sollten«, fuhrt Rodian fort. »Diese Abschriften befanden sich angeblich in der Ledertasche. Was haben Meister a’Seatts Angestellte gestern für Euch kopiert?«
Domin il’Sänke kam einen Schritt näher und faltete die Hände.
»Wir wissen es nicht genau«, sagte er. »Meister a’Seatts Skriptorium ist eins von mehreren, denen wir solche Aufträge geben. Wir schicken unsere Entwürfe verschiedenen Schreiberläden in der Stadt.«
»Jeden Abend?«, fragte Rodian.
»Morgens«, antwortete Skyion, auffallend zufrieden mit il’Sänkes Antwort. »Die Gilde arbeitet an einem groß angelegten Projekt. Wir haben einige Weise mit Talent für Abschriften, ziehen jedoch Sachkenntnis privater Schreiberläden vor, wenn es um Material geht, das unseren Bibliotheken und Archiven hinzugefügt werden soll.«
Skyion zögerte und sah Rodian an.
»Hauptmann … seit fast einem halben Jahr hat es bei dieser Arbeit keinen Zwischenfall gegeben, und ich sehe keinen Grund, warum jetzt jemand für einen solchen Diebstahl umgebracht werden sollte. Elias und Jeremy waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Zufall wollte es, dass sie gestern Abend einem Verbrechen zum Opfer fielen.«
Ein groß angelegtes Übersetzungsprojekt, das seit sechs Monaten andauerte?
»Was wird übersetzt?«, fragte Rodian.
»Das können wir Euch nicht sagen«, erwiderte il’Sänke.
»Ich erwarte Antwort auf alle meine Fragen«, erklärte Rodian. »Immerhin ermittle ich in einem Mordfall.«
Die Falten in Premin Skyions Gesicht wurden tiefer und länger.
»Wenn Ihr beim Stadtamt und der königlichen Familie nachfragt, werdet Ihr feststellen, dass das Projekt allein der Autorität der Gilde unterliegt. Bis wir etwas anderes von den Königlichen hören, werden wir einem Außenstehenden keine Einzelheiten des Projekts nennen.«
Die Strenge in Skyions Gesicht verlieh ihren Worten zusätzlichen Nachdruck.
Rodian versuchte, seinen Ärger zu unterdrücken.
Seit Generationen genoss die Gilde die besondere Gunst der Königlichen. Wenn König und Königin hinter den Weisen standen, mochte es gefährlich sein, auf diesem Punkt zu beharren, selbst wenn das Gesetz auf seiner Seite war. Andererseits … je mehr diese drei Personen seinen Fragen in Hinsicht auf die Ledertasche und Einzelheiten des Übersetzungsprojekts auswichen, desto größer wurde sein Interesse.
Gab es einen Zusammenhang mit der Ermordung der beiden jungen Männer?
»Wenn Ihr mir nicht sagen könnt, was übersetzt wird … Dann teilt mir wenigstens mit, wie Ihr in den Besitz des betreffenden Materials gelangt seid.«
Hochturm schürzte andeutungsweise die Lippen und sah il’Sänke an. Der Sumaner zögerte unsicher, und Skyion schüttelte schließlich den Kopf.
»Eine solche Information kann doch nicht vertraulich sein«, sagte Rodian. »Wenn die Arbeit so wichtig ist, müssten eigentlich alle Initiaten und Lehrlinge in der Gilde wissen,
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