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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
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nicht ein-, sondern aus gebrochen, wie sie von Rodian wusste. Ergab das einen Sinn?
    Wie sollte sich ein Edler Toter zwar Zutritt zum Skriptorium verschaffen, ohne in der Lage zu sein, auf die gleiche heimliche Weise wieder zu verschwinden? Wynn brachte den Südturm hinter sich und schritt erneut durch den Garten, vorbei an Espen, die ihre Blätter verloren. Plötzlich hörte sie jemanden auf der Alten Mauerstraße.
    Die Schritte klackten und kratzten, wie von einer kleinen oder kurzbeinigen Person, die versuchte, mit einer anderen Schritt zu halten. Doch Wynn hörte sonst niemanden.
    Abgesehen von den Untoten, denen sie begegnet war oder von denen sie gehört hatte, wusste sie kaum etwas von den Edlen Toten. Auf Belaskisch nannte man sie Vneshené Zomrelé , und auf Dröwinkanisch hießen sie Upír oder Vampyr – so lautete die Bezeichnung für einen besonders mächtigen Untoten. Im Gegensatz zu Geistern oder lebenden Leichen behielten sie alle ihre Erinnerungen an das Leben, ihr vollständiges Selbst . Sie wussten um ihre unsterbliche Existenz und konnten lernen und als Individuen wachsen.
    Die anderen Weisen hielten das alles für Unsinn.
    Aber Wynns Tagebücher enthielten Aufzeichnungen, die das alles bewiesen. Und zweifellos wurden jene Tagebücher bei dem Übersetzungsprojekt benutzt.
    Als Mädchen hatte sie Domin Tilswith manchmal bei seinen Recherchen in Hinsicht auf numanische Legenden geholfen. Es hatte ihr Spaß gemacht, bis zu einem gewissen Grad. Noch heute fragte sie sich, warum er Katalogisierer geworden war, anstatt sich wie il’Sänke dem Orden der Metaologie anzuschließen. Hätte das Tilswiths Interessen nicht eher entsprochen?
    Sie erinnerte sich an den Tag, als er einen alten Begriff erwähnt hatte: Àrdadesbàrn .
    Das Wort bedeutete »Todeskind« und kam aus einem der pränumanischen Dialekte: das Kind einer lebenden Frau und eines vor kurzer Zeit gestorbenen Mannes. Sie hatte das Wort vergessen – bis sie Magiere begegnet war.
    »Geister und wandelnde Tote … «, murmelte sie. » Àrdadesbàrn und Dhampire … «
    Wynn verließ den südlichen Garten bei der Mauer und lenkte ihre Schritte zum Tor auf der anderen Seite des Wachhauses.
    Wenn Domin Tilswith Hinweise auf Àrdadesbàrn in den Katakomben gefunden hatte … Was mochte sich sonst noch da unten befinden, seit Jahren ungelesen und unberührt? Welcher Vampir konnte ein Skriptorium heimlich betreten, es aber nur mit Anwendung von Gewalt verlassen? Und welcher Vampir tötete ohne Bissspuren?
    Wieder wurden ihre Überlegungen von einem Geräusch jenseits der Mauer unterbrochen.
    Eine Erinnerung stieg in Wynn auf, und sie blieb abrupt stehen.
    Eines Nachts, hinter einem Wassertrog in einem kleinen Ort in Magieres Heimatland, hatte Wynn alles vom blauweißen Dunst des Geistes durchdrungen gesehen. Es war ihre erste Erfahrung mit der mantischen Sicht, und sie hatte beobachtet, wie ein bleicher Untoter über die Straße gekommen war.
    Vordana.
    Gesicht und Hände waren grau, und das weiße Haar ragte schmutzig und verfilzt unter der Kapuze hervor. Altes Blut bildete dunkle Flecken auf dem weißen Hemd unter dem umbrabraunen Umhang.
    Und der Dunst des Geistes, der allem anhaftete, schien Vordana entgegenzutreiben.
    Hinter seinen trüben weißen Augen und unter der bleichen Haut hatte Wynn keinen blauweißen Dunst gesehen, nur Dunkelheit, als gäbe es in seinem Innern nur Leere, für Licht unerreichbar. Langsam nahm er die Dunstschwaden des Lebens auf, die alles Existierende berührten.
    Vordana konzentrierte sich auf Leesil.
    Und dann war Leesil auf die Knie gesunken, als Vordana seine Lebenskraft aufnahm, ohne ihn zu berühren.
    Auffrischender Wind zerrte an Wynns Mantel und der Kapuze, brachte sie in die Gegenwart zurück. Das Klicken und Kratzen jenseits der Mauer wiederholte sich. Es klang fast so, als ginge jemand aufgeregt auf und ab.
    Wie Pfoten, dachte Wynn. Wie Krallen, die immer wieder das Kopfsteinpflaster berührten.
    Sie sah zur Mauer hoch, schnappte plötzlich nach Luft und lief zum Tor.
    »Chap!«, rief sie. »Bist du da?«
    Das Tor stand offen, und Wynn lief zur Alten Mauerstraße.
    Niemand war zu sehen, auch kein Hund. Wynn blickte in beide Richtungen und lief dann weiter, zur Alten Prozessionsstraße. Sie folgte ihrem Verlauf und erreichte kurze darauf die Kreuzung mit dem Mauerladenweg.
    »Chap!«
    Hier waren Menschen unterwegs, betraten Geschäfte oder verließen sie. Drei elegant gekleidete Herren standen vor einer

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