Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
Zwergisch geschrieben war. Plötzlich sehnte sie sich danach, allein zu sein und in diesen Büchern nach Antworten suchen zu können.
Tärpodious ging etwas weiter an den Regalen entlang, und der Saum seines grauen Umhangs wirbelte Staub auf.
»Dies hier sind die ältesten Unterlagen, so alt, dass sie nicht chronologisch sortiert werden können. Manche von ihnen sind in numanischen Dialekten und einige in der elfischen Êdän-Schrift gehalten. Diese Texte sind ungeordnet geblieben, und da sich niemand mehr für sie interessiert, gibt es in der oberen Bibliothek keine Kopien.«
»Danke«, sagte Wynn noch einmal. »Ich möchte dich nicht von deiner Arbeit abhalten.«
Der Alte sah sie an und verstand vielleicht, dass sie allein sein wollte. »Ja, ja, aber versuch nicht, irgendetwas umzuräumen, denn dann finden wir später nichts wieder. Wähle sorgfältig aus und lass alles so liegen, wie du es vorgefunden hast. Ich sehe später nach dir.«
»Das wäre sehr freundlich von dir«, erwiderte Wynn.
Tärpodious schlurfte fort, und das Leuchten seiner Kaltlampe wies darauf hin, welchen Weg durch die Dunkelheit er nahm. Als er in der Finsternis verschwunden war, kehrte Wynn zur nächsten Nische zurück und legte dort ihre Sachen auf den Tisch. Sie behielt nur die Lampe in der Hand, eilte zu den Regalen zurück und sah sich die Buchrücken an. Schließlich wählte sie zwei in Holz gefasste Pergamentbündel ohne Titel oder irgendwelche Markierungen und ein altes Buch, und damit machte sie sich erneut auf den Weg zur Nische.
Dort blätterte Wynn durch das erste Bündel und stellte fest, dass es sich um eine Sammlung kurzer Schriften handelte, voneinander getrennt durch steifes Pergament. Sie waren in der ursprünglichen Sprache abgefasst, aber mit Tinte geschrieben, was bedeutete, dass es keine Originale waren, sondern Kopien, trotz ihres Alters.
Texte wurden oft kopiert, um die Originale an einem sicheren Ort aufzubewahren. Die besonders wichtigen unter ihnen übertrug man später ins Begaine-Syllabar, einige in der Ursprungssprache und andere ins Numanische übersetzt. Und wenn man glaubte, dass sie von allgemeinem Nutzen waren, brachte man sie in der oberen Bibliothek unter.
Diese Sammlung hingegen bot ein solches Durcheinander aus Schriften, dass man geglaubt hatte, sie sei der Mühe nicht wert. Was aber keineswegs bedeutete, dass sie nichts Interessantes enthielt. Die ersten Seiten waren auf Iyindu geschrieben, einem fast vergessenen Wüstendialekt des Sumanischen Reichs.
Wynn murmelte leise vor sich hin.
Trotz ihres Sprachgeschicks konnte sie diesen Text kaum entziffern, und das bedeutete, dass sie mit ihren Recherchen nur langsam vorankommen würde. Vielleicht musste sie sich durch Dutzende von Texten arbeiten, bevor sie auf einen nützlichen Hinweis stieß.
Wynn legte das erste Bündel beiseite und nahm sich das zweite vor.
Eigentlich war ihr gar nicht richtig klar, wonach sie suchte. Sie wusste nur, dass ein Untoter es auf den Inhalt von Folianten abgesehen hatte und offenbar imstande war, das Begaine-Syllabar zu lesen. Und er konnte Lebenskraft aufsaugen, ohne Spuren zu hinterlassen.
Wynn seufzte. In ihren Gedanken gab es zu viele Widersprüche.
Die beste Möglichkeit, ein Motiv zu finden, bot das Übersetzungsprojekt, aber dazu hatte sie keinen Zugang. Sie wusste nicht einmal, wo die Originaltexte aufbewahrt wurden, von den bereits angefertigten Übersetzungen ganz abgesehen.
Normalerweise wurden solche Übersetzungen im dritten Stock des Hauptgebäudes angefertigt, unweit der Arbeitszimmer der Premins. Aber die Premins und Domins wollten vermeiden, dass jemand außerhalb des Projekts etwas von den Texten erfuhr, und deshalb waren die Originale vermutlich an einem sehr sicheren Ort verstaut. Premin Skyion und Domin Hochturm würden Wynn auf keinen Fall in ihre Nähe lassen.
Ihr blieb also nichts anderes übrig, als zu versuchen, der Sache mit dem Untoten auf den Grund zu gehen. Das war auf jeden Fall besser, als die Hände in den Schoß zu legen.
Der Text des zweiten Bündels war auf Heiltak geschrieben, ein weit verbreitetes Alphabet der pränumanischen Sprachen.
Wynn öffnete ihr leeres Tagebuch, hielt den Federkiel in der Hand und begann zu lesen. Als sie sich dem Ende des zweiten Bündels näherte, lagen die Blätter auf dem kleinen Tisch verstreut.
Sie verstand kaum ein Drittel von dem, was sie gelesen hatte, und nur die Hälfte der ersten Seite ihres Tagebuchs war mit knappen Notizen
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