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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
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herbei.
    Chane antwortete nicht. Auch die beiden Weisen waren stehen geblieben, und der hochgewachsene junge Mann hatte den Blick direkt auf ihn gerichtet. Dâgmund schien ihn zu erkennen und sich zu fragen, ob er ihn in der Nähe des Skriptoriums gesehen hatte.
    »Ich bin unverletzt«, krächzte Chane. »Geh und hol dein Pferd.«
    Er bog in die Nebenstraße ein und fluchte lautlos.
    Müde und hungrig erreichte Wynn den Gemeinschaftsraum, noch immer überrascht darüber, wie schnell die Zeit in den Katakomben vergangen war. Nur noch wenige Weise saßen an den Tischen, sprachen miteinander, lasen oder tranken Tee.
    Domin il’Sänke saß beim Feuer und las.
    »Wynn?«, kam eine Stimme von der rechten Seite.
    Sie drehte sich um und sah Nikolas, der sie zu sich winkte. Zwei Teller standen vor ihm auf dem Tisch, daneben mit Butter bestrichene Brotscheiben.
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte er.
    Domin il’Sänke sah von seinem Buch auf.
    Wynn schenkte ihm ein müdes Lächeln und ging zu Nikolas. Sein Umhang war unordentlich, und das zerzauste Haar hing ihm in die Augen, aber Wynn konnte sich nicht daran erinnern, wann zum letzten Mal jemand auf sie gewartet hatte.
    »Ich bin mit Recherchen beschäftigt gewesen«, sagte sie und hielt noch immer Lampe, Tagebuch und Federkiel in den Händen. »Warte noch einen Moment. Ich bringe dies nur schnell auf mein Zimmer und bin gleich wieder da.«
    Ihre Antwort schien ihn zu erleichtern. Sie wusste, wie es war, sich einsam zu fühlen, und wann Gesellschaft mehr bedeutete als Essen.
    »Die Linsen bleiben warm«, sagte er. »Ich stelle die Teller an den Kamin.«
    Wynn ging mit raschen Schritten zum großen Torbogen. Kühle Luft wehte ihr entgegen, als hätte jemand die Tür des Hauptgebäudes geöffnet. Sie hörte, wie jemand hinter ihr zu schnell aufstand, und warf einen Blick über die Schulter. Il’Sänke kam direkt auf sie zu, und einen Moment später ertönte Miriams aufgeregte Stimme vom Eingang.
    Die Worte des Mädchens verstand Wynn nicht, und il’Sänke eilte mit wehendem Umhang an ihr vorbei. Sie winkte Nikolas zu, und mit ihm zusammen folgte sie dem Domin.
    Hinter der Ecke auf der anderen Seite des Torbogens fand Wynn eine schwer atmende Miriam, die vor il’Sänke stand. Sie hielt einen Folianten an die Brust gedrückt, und hinter ihr strich Dâgmund seine Kapuze zurück.
    Schweiß glänzte in Miriams Gesicht – sie schien gelaufen zu sein. Sie war so erschrocken, dass sie ganz vergaß, sich von il’Sänkes Gegenwart einschüchtern zu lassen.
    »Domin … «, brachte sie hervor. »Jemand hat uns verfolgt!«
    Dâgmund wirkte nicht so voller Furcht wie Miriam, aber Sorge stand deutlich in sein Gesicht geschrieben.
    Wynn schürzte die Lippen. Warum hatte Domin Hochturm einen Reisenden-Metaologen mit Miriam losgeschickt?
    Im Flur hinter ihr versammelten sich immer mehr Initiaten und Lehrlinge aus dem Gemeinschaftsraum.
    Il’Sänke richtete einen strengen Blick auf Dâgmund. »Stimmt das?«
    Der junge Mann nickte. »Ein großer Mann in einem langen, dunklen Mantel. Ich habe ihn zweimal gesehen. Er muss uns gefolgt sein.«
    Il’Sänke streckte die Hand aus. »Gib mir den Folianten.«
    Miriam kam seiner Aufforderung sofort nach und seufzte erleichtert.
    Überrascht beobachtete Wynn, wie il’Sänke an Dâgmund und Miriam vorbeitrat, ein paar Schritte weiterging, dann den Folianten öffnete und ihm einen kleinen Papierstapel entnahm. Der Domin sah sich den Inhalt kurz an und legte die Unterlagen anschließend in den Folianten zurück.
    Wynn hätte viel dafür gegeben, ihm über die Schulter sehen zu können.
    Plötzlich richtete il’Sänke den Blick auf sie.
    Ohne ein Wort schritt er an Miriam und ihrem Begleiter vorbei, auch an Wynn. Hinter ihr machten die Initiaten und Lehrlinge Platz, um ihn vorbeizulassen. Wynn folgte dem Domin zurück in den Gemeinschaftsraum, aber dort verharrte er nicht. Er ging weiter und verließ den Saal durch den kleinen Seitenausgang. Wynn schlich hinter ihm her, bis sie sah, wie er die Tür zum Nordturm nahm – offenbar wollte er zu Domin Hochturm.
    Was hatte er auf den Seiten gesehen?
    »Komm und iss«, sagte Nikolas sanft.
    Wynn hatte ihn ganz vergessen.
    »Bring deine Sachen später aufs Zimmer«, fügte Nikolas hinzu. »Das Abendessen wartet auf dich.«
    Sie nickte und folgte ihm zum Tisch im Gemeinschaftsraum. Doch Wynns Gedanken galten dem Folianten, und vor dem inneren Auge sah sie il’Sänke, wie er nur wenige Meter entfernt

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