Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
Vom Netzwerk:
blätterte und las.
    Chane kochte innerlich, als er zum Grauland-Reich zurückkehrte. Er war dem Folianten so nahe gekommen, und dann hatte er ihn durch einen dummen Fehler verloren. Und er war hungrig – der jüngste Fehlschlag schien sein Verlangen nach Blut verstärkt zu haben.
    Früher hatte das Ungeheuer in ihm Freude an der Jagd gefunden, am Geruch der Furcht des Opfers und an dessen Versuchen, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Er hatte Blut getrunken, wann immer ihm danach gewesen war, ohne eine sorgfältige Auswahl der Beute.
    Seit seinem letzten Gespräch mit Wynn hatte sich einiges verändert.
    Er suchte sich seine Opfer genau aus, und das Ungeheuer in ihm wimmerte unterdrückt oder heulte vor Wut, weil es nicht mehr seinen Willen bekam. Chane rang mit seinem Verlangen nach der Euphorie einer echten Jagd, die mit dem Tod der Beute endete.
    Seit gut einem Mond befand er sich in Calm Seatt und kannte die Stadt inzwischen recht gut. Wenn er neue Lebenskraft aufnehmen musste, begab er sich ins südliche Viertel des Grauland-Reichs. An diesem Abend wanderte er durch schäbige dunkle Nebenstraßen, lauschte und beobachtete. Die meisten Menschen in diesem Bereich der Stadt waren ebenso heruntergekommen wie die Umgebung, aber so etwas spielte bei seiner Wahl keine Rolle.
    Eine zahnlose Alte schlurfte vorbei und murmelte dabei vor sich hin. Chane achtete nicht auf sie. Schließlich erreichte er einen Schuppen zwischen einer Taverne und einem Kerzenladen an der Ecke. Gedämpftes Geschrei kam durch ein Fenster, und Chane schlüpfte in den Schatten unter der Markise des Kerzenladens.
    »Leg es zurück!«, rief eine Frau. »Das ist für Milch und Brot. Setz deine Stiefel beim Würfelspiel, wenn dir so viel daran liegt!«
    Es folgten ein Krachen und die Geräusche einer weinenden Frau. Die vordere Tür des Schuppens sprang auf, und ein großer Mann trat nach draußen. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert.
    »Lass mich in Ruhe!«, knurrte er. »Ich gehe zum ›Blauen Eber‹ und frage dort nach Arbeit. Um Milch und Brot kümmere ich mich selbst, also hör auf zu flennen!«
    Chane war so sehr darauf konzentriert, sich unter Kontrolle zu halten, dass ihn das sonderbare Prickeln im Hinterkopf überraschte. Das Ungeheuer in ihm zischte eine Warnung, die seine volle Aufmerksamkeit weckte.
    Der Mann log. Er stapfte über die Straße und ließ die Tür hinter sich offen.
    Chane verließ den Schatten und folgte ihm. Dieser wertlose Mensch war eine akzeptable Wahl: ein Lügner und Tunichtgut. Die Welt verlor nichts an ihm – er war nur ein weiteres Stück menschliches Vieh.
    Drei Straßen weiter verharrte Chane an der Einmündung einer dunklen Gasse.
    »Herr«, krächzte er auf Numanisch, wohl wissend, dass sowohl die Stimme als auch sein Akzent Verdacht erregen konnten. »Rein zufällig habe ich gehört, dass von Würfeln die Rede war.«
    Der unrasierte Mann blieb stehen, drehte sich um und kniff die Augen zusammen.
    Für diesen Teil der Stadt war Chane gut gekleidet. Er trug saubere Stiefel und einen langen dunklen Mantel, unter dem der Griff eines Schwerts hervorragte.
    Der Mann blinzelte verwundert. »Sucht Ihr ein Würfelspiel?«
    Chane trat näher, holte seinen Geldbeutel hervor und ließ die Münzen klimpern.
    »Kommt darauf an, wie viel die Teilnahme kostet.«
    Chane sah sich unauffällig um und stellte fest, dass der nächste Passant zwei Straßen entfernt war. Der Blick des großen Mannes klebte an seinem Geldbeutel, und er lächelte. Vermutlich dachte er bereits daran, diesen dummen Fremden gemeinsam mit seinen Freunden beim Würfelspiel auszunehmen.
    Er schlenderte näher. »Die Teilnahme ist nicht umsonst«, sagte er. »Und die Einsätze sind unbegrenzt.«
    Als er näher kam, ließ Chane den Geldbeutel fallen.
    Der Blick des Mannes glitt sofort nach unten.
    Chanes Hand kam nach vorn, schloss sich um Mund und Unterkiefer des Mannes und zog ihn in die Dunkelheit der Gasse. Der Bursche war so stark, wie er aussah, und er leistete heftigen Widerstand, rammte Chane den Ellenbogen in die Rippen.
    Chane zuckte nicht einmal zusammen, stieß sein Opfer gegen die Wand und bohrte ihm die Reißzähne in den Hals. Der Geruch nach schalem Bier und Schweiß stieg ihm in die Nase, und das Ungeheuer in ihm zerrte an seinen Fesseln.
    Früher hätte er mit seinem Opfer gespielt, bis es von Entsetzen erfüllt gewesen war. Er mochte den Geruch der Angst – oder war es das Ungeheuer in seinem Innern, das solchen Gefallen daran

Weitere Kostenlose Bücher