Dhampir
alle Anstrengungen wert, aber galt das auch für Nein’a?
»Glaube nicht einen Moment, dass Fréthfâre vergisst, was sie heute gesehen hat«, warnte Brot’an.
Sein ruhiger Blick ließ das Zittern in Magiere stärker werden. Er ging weiter in Richtung Wald, und sie folgte ihm. Vor dem durchs Dickicht führenden Tunnel hielt er sie einen Moment zurück.
»Erinnere dich an deine Schuld mir gegenüber, wenn ich das nächste Mal Leesils Kooperation um seiner selbst willen brauche.«
Magiere nickte, mit einer Mischung aus Ärger und Reue. Sie hoffte, dass Leesil noch etwas länger von Wynn abgelenkt blieb.
Unter dem bedeckten Himmel war es im Tunnel finster geworden. Magiere ging hindurch, trat an den Farnen vorbei auf die Lichtung und überlegte, wie sie vorgehen sollte. In Gedanken versunken wartete sie, bis Nein’a hinter ihrem Wohnbaum hervorkam.
Sie trug das Safrankissen, auf dem sie am Bach gesessen hatte. Als sie Magiere sah, blieb sie abrupt stehen, ließ das Kissen neben dem Baum fallen und wartete.
Magiere näherte sich, und Nein’a sah zu den beiden Majay-hì, die sich noch auf der Lichtung befanden. Einer trank Wasser am Bach, und der andere lag im Moos und beleckte sich. Der Anblick schien die große Elfe zu beruhigen.
»Du bringst den von Brot’an geschaffenen Moment des Friedens in Gefahr. Sgäilsheilleache wird dafür bezahlen, wenn deine Abwesenheit bemerkt wird.«
Für dieses Treffen hatte sich Magiere Brot’an verpflichtet, und jetzt fehlten ihr die Worte, als sie die schöne, gefährliche Nein’a ansah. Plötzlich erinnerte sie sich an Brot’ans Frage nach der »Paarung«, und dieser Gedanke bescherte ihr zusätzliche Unsicherheit. Sie fragte sich, warum Leesil ausgerechnet sie gewählt hatte.
Magiere zeigte ihre Gefühle ganz offen. Weibliche List lag ihr fern.
»Vermisst du ihn nicht?«, fragte sie leise. »Hast du dich nicht gefreut, ihn wiederzusehen?«
Es waren nicht die Worte, die sie eigentlich an Nein’a hatte richten wollen. Aber wenn ihr jemand Leesil weggenommen hätte, wenn sie acht Jahre voneinander getrennt gewesen wäre n … Das Wiedersehen mit ihm hätte sie zweifellos zu Tränen gerührt.
»Du bis t … seine Frau?«, fragte Nein’a, und eigentlich war es gar keine Frage.
Es kam nicht so überraschend wie von Brot’an, und es klang auch nicht so bitter. Trotzdem fühlte sich Magiere eingeschüchtert.
»Ja. Wir haben zusammen eine Taverne betriebe n … in Miiska an der belaskischen Küste. Aber Leesil wollte dich finden, seit er in Bela Sgäile begegnet war und von ihm erfahren hatte, dass du vielleicht noch lebst.« Magiere hörte die Bitterkeit in ihrer Stimme. »Selbst nach allem, was du ihm angetan hast.«
Nein’a sah ihr direkt in die Augen. »Und was habe ich ihm angetan?«
Noch mehr Bitterkeit regte sich in Magiere. »Du hast ihn ausgebildet und benutzt, ihn gezwungen, deinem Beispiel zu folgen und zu morden. Lange Zeit hat er sich jeden Abend in den Schlaf getrunken, um zu vergessen, was du ihn gelehrt hast.«
»Und hätte er in deiner Gesellschaft ohne seine Ausbildung überlebt?«, fragte Nein’a.
»Oh, Überleben«, zischte Magiere. »Deshalb hast du ihn ausgebildet. Wie uneigennützig.«
Es war nicht nur ihre übliche Direktheit, sondern auch eine Gemeinheit. Aber brachte Nein’a ihrem Sohn wirklich echte Liebe entgegen?
»Ich weiß nichts von dir«, erwiderte die Elfe. »Noch weniger als du von Léshil weißt, der noch immer einen notwendigen Zweck erfüllen könnte, nicht nur für mein Volk. Die Zeit wird lehren, ob es dazu kommt, und ein Teil von mir hofft, dass es nicht geschieht. Er muss dieses Land verlassen, damit ihn der Älteste Vater nicht erreichen kann. Bring ihn fort von hier, wenn dir etwas an ihm liegt.«
Nein’a wandte sich ab und verschwand in ihrem Wohnbaum, machte sich nicht einmal die Mühe, das fallen gelassene Kissen aufzuheben.
Magiere wusste nicht, ob es Zorn oder der Einfluss des Waldes war, der sie zittern ließ. Noch immer blieb ihr verborgen, worum es ging.
Nein’a hatte Leesil ohne Liebe ausgebildet und ohne Gewissen. Sie hatte ihn für einen »Zweck« zur Welt gebracht, wie die Anmaglâhk ihre Missionen und dunklen Aufgaben nannten.
Chap hatte angedeutet, dass Nein’a und andere Anmaglâhk die Pläne des Ältesten Vaters vereiteln oder zumindest einen eigenen Weg bei der Konfrontation mit einem alten Feind beschreiten wollten, dessen Rückkehr das Oberhaupt ihres Volkes fürchtete. Aus irgendeinem
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