Dhampir
Verwirrt beobachteten die Elfen Chap und Sgäile, bevor ihre Blicke zu Leesil zurückkehrten. Er fühlte ihre Aufmerksamkeit wie eine Last.
»Du hast ihre Reste aus der Gruft der Burg genommen?«, fragte Sgäile.
Es klang seltsam in Leesils Ohren, Worte, die mehr waren als nur eine Frage. Sgäile fügte ihnen etwas auf Elfisch hinzu, mit der gleichen Betonung. Bei den anderen Männern und Frauen auf der Lichtung kam es nicht zu großen Reaktionen. In manchen Gesichtern zeigte sich Überraschung, in anderen wachsame Skepsis.
»Du hast sie zu ihrem Volk heimgebrach t … ja?«, fragte Sgäile.
Leesil nahm die Worte kaum wahr. Es war ihm gleich, was die Elfen dachten. Seine Toten gingen nur ihn etwas an.
»Antworte ihm!«, flüsterte Wynn. »Er versucht, dir das Leben zu rette n … uns allen!«
Én’nish knurrte etwas, und ihre Stimme wurde lauter, fast zu einem Kreischen. Leesil drehte sich um.
Im Gesicht der Elfenfrau zeigte sich wilde Hoffnun g – offenbar glaubte sie sich fast am Ziel. Zorn stieg in Leesil auf, aber er blieb trotzdem reglos sitzen.
Tränen strömten Én’nish über die Wangen und tropften von ihrem spitzen Kinn. Urhkar richtete einige scharfe elfische Worte an die junge Frau. Sie sah ihn an, und die Hoffnung verschwand aus ihren Zügen.
Urhkar hielt noch immer Magiere fest, aber sein Gesicht blieb dabei seltsam ausdruckslos. Magiere war kaum in der Lage, den Kopf vom Boden zu heben, und der Blick ihrer dunklen Augen richtete sich auf Leesil.
Wie lange mochte es noch dauern, bis das Weiße aus ihren Augen verschwand und ihre Eckzähne lang und spitz wurden? Er wollte, dass es geschah, dass sie dem Elfen über ihr die Kehle zerfetzte.
Urhkar beugte sich tiefer und sprach leise zu Magiere, woraufhin sie nicht mehr versuchte, sich zu befreien. Der Elf blickte an Leesil vorbei zu jemandem, rief etwas, sprang dann auf und gab Magiere frei. Sie stand auf und wich langsam zu Leesil zurück.
»Es ist alles in Ordnung«, flüsterte sie, ging vor ihm in die Hocke und stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab. »Niemand wird dir die Schädel nehmen. Das lasse ich nicht zu.«
Magieres Stimme ließ das Rauschen des Blutes in Leesils Ohren leiser werden.
»Bitte«, sagte Sgäile. »Sag es ihnen. Sag meinem Clan, dass ich die Wahrheit sage.«
Leesil sah Schmerz im Gesicht des Anmaglâh k – und Furcht.
» Érin’n «, flüsterte Sgäile. »›Wahrheit‹. Sag es!«
Leesil verstand nicht, aber er spürte in seiner Benommenheit, dass es Sgäile um etwas Wichtiges ging.
»Ay-rin-e n … «, sagte er leise, und dann noch einmal, lauter.
Sgäile seufzte erleichtert.
Magiere griff nach dem Tuch, aber Sgäile kam ihr zuvor und hob es auf. Er öffnete es und legte es sich über die Hand.
»Du beschämst mich«, sagte er leise und sah auf Eilleans Schädel hinab. »Du hättest mir davon erzählen sollen. Ich hätte dic h … angefleht, dies zu tragen. Nur für ein kleines Stück des Weges.«
Er zögerte beim Anblick von Gavrils Totenkopf, hielt dann aber das Tuch bereit. Magiere riss es ihm von der Hand und legte es auf die beiden Schädel in Leesils Armen.
Leesil wickelte es darum, verbarg die Köpfe vor all den neugierigen Blicken und stand erst auf, als Magiere sanft an seinem Arm zog.
Einige der versammelten Elfen wirkten noch immer zornig, doch andere senkten kummervoll den Kopf. Leesil begriff nicht, warum die Rückkehr seiner Großmutter und ein elfisches Wort eine solche Veränderung bewirkten.
Magiere legte ihm den Arm um die Schultern und sah nach hinten, zu Én’nish.
»Wenn du ihn noch einmal anrührst, brauche ich kein Schwert, um deinen Kopf zu nehmen«, sagte sie kalt.
Leesil hörte keine Antwort von Én’nish, aber sie trat rechts in sein Blickfeld und machte einen weiten Bogen um ihn, als sie zu Sgäile ging. Urhkar setzte sich in Bewegung und schnitt ihr den Weg ab.
Das Gesicht des älteren Elfen blieb auch diesmal ausdruckslos, als er die Hand hob, mit der Innenfläche nach außen. Er winkte, als wollte er etwas Lästiges vertreiben.
Der Zorn wich aus Én’nishs Gesicht. Sie zuckte zusammen, als wäre sie geschlagen worden. Langsam wich sie von Urhkar zurück, drehte sich um und lief fort.
Wynn stand auf. Osha steckte rasch sein Stilett ein und wollte ihr hochhelfen. Als er ihr die Hand anbot, wandte sich die junge Weise ab und sah ihn nicht an.
»Wir sollten von hier verschwinden«, sagte Wynn.
Chap lief noch immer vor den Elfen auf und ab und warf Leesil
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