Dhampir
einer Lichtung im Elfenwald herumgetollt war.
Wieder empfing er eine fremde Erinnerung. Welpen kletterten über einen alten Baumstamm hinweg, von dem sich unter ihren Pfoten Moosfladen lösten.
Die Weiße hatte Chaps Erinnerungsbild empfangen und mit einem eigenen geantwortet.
Auf diese Weise zu sprechen, ohne Mühe Erinnerungen auszutauschen, anstatt nur die von anderen zu sehe n … Ihm war, als hätte er zum ersten Mal seine Stimme gefunden und die von anderen nach Jahren der Stille gehört.
Als Welpe hatte Chap so etwas nie erfahren. Vielleicht war er nicht lange genug geblieben, um es zu lernen, bevor Eillean ihn genommen und zum jungen Leesil gebracht hatte. Vielleicht handelte es sich um eine Fertigkeit, die man sich aneignen musste, wie die Sprache der Menschen. Chaps Gedanken eilten zu Erinnerungen an Nein’a und ihren Halbblutsohn, gefangen in der Stadt Venjètz.
Die Weiße wich zurück. Sie wusste nichts von den Städten der Menschen und ihrer Lebensweis e – das Bild musste sehr beunruhigend für sie sein. Chap winselte leise und leckte ihr Gesicht.
Sie jaulte kurz, drehte sich um und lief tiefer in den Wald. Dann blieb sie stehen und sah zurück.
Chap ließ alles los, bis auf die Erde unter seinen Pfoten, und folgte der Weißen.
Der Träumer wälzte sich im Schlaf hin und her. In seinem Traum fauchte Wind über ihn hinweg und zerrte an seinem Mantel. Er flog hoch über schneebedeckten und eisverkrusteten Felsen.
Nie zuvor hatte er geträumt, auf diese Weise zu reisen.
In einem tiefen Tal zwischen Bergen, die rechts und links wie Zähne aufragten, stand eine Burg mit sechs Türmen. Jeder dieser hohen Türme endete in einer kegelförmigen Spitze, umgeben von einem Vorhang aus Eis. Der Träumer wollte über die Außenmauer fliegen und den Innenhof erreichen, aber das gelang ihm nicht. Stattdessen landete er draußen im Schnee und sank tief darin ein.
Ein eisernes Tor mit zwei Flügeln lief oben ebenso spitz zu wie die sechs Türme. Es hatte Rost angesetzt, war aber noch immer sehr stabil. Weit dahinter wartete die Eisentür der Burg am Ende einer steinernen Treppe mit breiten Stufen.
Etwas bewegte sich auf jenen Stufen.
Zuerst erweckte sie den Eindruck, eng anliegendes Weiß zu tragen, oben gekrönt von schwarzem Haar. Aber als sie den ersten Schritt die Treppe hinunter machte, wurde klar, dass sie nackt war. Ein Schatten schien über ihrer rechten Schulter zu schweben. Er wurde zu einem Raben, der mit den Flügeln schlug und sich neben ihren Kopf setzte.
Ihr Gesicht war so bleich, dass es fast durchscheinend wirkte. Die Form der Augen war sonderba r …
Das Bild verschwand.
Der Träumer stand in einem steinernen Saal, umgeben von Regalen mit Schriftrollen, Büchern und verschnürten Pergamentbündeln. Auf einem Tisch aus grauem, altem Holz lag ein schwarzer Federkiel neben einem kleinen Tintenfass.
An der gegenüberliegenden Seite des Saals gab es eine weitere große Tür, gesichert mit einem Eisenriegel, so schwer, dass er ihn nicht heben konnte.
Der Träumer verlor seinen fast schmerzhaften Hunger. Sein Körper verlangte nichts.
Sie ist hier …, flüsterte seine Traumherrin in der Nähe, obwohl er keinen großen schwarzen Schlangenleib sah. Die Kuge l … Die Schwester der Toten wird dich führen.
Etwas riss ihn aus dem Schlaf und warf ihn zurück in die kalte Welt.
»Nein!«
Welstiel öffnete die Augen und sah Chane, der im Zelt hockte und ihn aufmerksam beobachtete.
Die Schwester der Toten wird dich führen.
Ein bitteres Versprechen. Welstiel hatte es zu oft gehört.
»Was ist los?«, fragte Chane. »Warum hast du gerufen?«
Welstiel setzte sich auf, ohne Antwort zu geben.
Nacht für Nacht waren sie geritten, und die Pferde wurden immer abgezehrter und schwächer, weil es an Futter für sie mangelte. Welstiel befürchtete, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die beiden Tiere zusammenbrachen und verendeten, und dann mussten Chane und er den Weg zu Fuß fortsetzen.
»Sattel die Pferde«, sagte er.
Der Rest von Bitterkeit verflog. Seine Traumherrin hatte ihm mehr gezeigt als jemals zuvor, aber wieder in kleinen Stücken, die nicht zueinanderpassten. Er hatte eine Bewohnerin der Burg gesehen, vielleicht eine der Alten? Und er hatte Ruhe gefühlt, hervorgerufen von der Nähe des Objekts, das er suchte.
Am Ort seines Traums war Welstiel nicht mehr hungrig gewesen, und er wusste, dass er seinem Ziel näher gekommen war. Warum also hatte er beim Erwachen eine solche
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