Dhana - Im Reich der Götter
seinen Körper, er würgte und
starb. »Es tut mir Leid«, schrie Dhana und Tränen strömten aus ihren Augen.
»Entschuldige, entschuldige ...« Breitfuß tauchte vollkommen fassungslos neben
ihr auf. »Was ist passiert? Wenn ich gewusst hätte, dass sich ein Taurus hier
herumtreibt, hätte ich dich nicht hergebracht! Woher ist er gekommen?«
»Er wechselte zwischen den Reichen«, antwortete sie,
noch immer zitternd. »Ich denke, er ist vielleicht geschickt worden. Jedenfalls
hatte ich eine Vision von Ozorne, kurz bevor er kam.«
»Aber woher wusste er, wo du bist?« »Ich habe keine
Ahnung.«
»Und warum hast du geweint? Du hast doch früher schon
getötet.«
»Und ich hasse es!«, schrie sie. »Vor allem, wenn
dieses arme, idiotische Ding nichts anderes tun konnte!« Sie versuchte ihre
Sachen aufzusammeln und ließ sie vor lauter Aufregung in den Schlamm fallen.
»Schau ihn dir doch an, wozu ist er denn gemacht, außer um Frauen zu rauben?
Gibt es überhaupt irgendwelche Weibchen seiner Art?« »Nein. Nein, es gibt
keine.«
»Wunderbar! Niemand schert sich darum, ihnen Gefährtinnen
der eigenen Art zu geben. Alles, was sie zu tun wissen, ist Frauen zu rauben.
Entweder töten sie oder werden selbst getötet. Das ist doch nicht richtig!«
Dhana zog ihre Sachen aus dem Schmutz, kleidete sich rasch an und rannte zum
Haus ihrer Eltern.
Breitfuß beäugte den toten Taurus. »Eigentlich hat sie
Recht«, sagte er nachdenklich. »Jemand sollte die Angelegenheit den Großen
Göttern vortragen - wenn sich alles wieder ein bisschen beruhigt hat.«
Auf halbem Weg zum Haus ihrer Eltern hielt Dhana inne.
Ein Sturmflügel erwartete sie dort. Sie zögerte nur einen Augenblick, dann
bildete sie erneut eine Schlinge aus ihrem Handtuch und hob Steine als weitere
Munition auf. Wenn dieser Sturmflügel ein Feind war, konnte er - oder sie -
eine Überraschung erleben!
Als sie sich aus der Deckung der Bäume löste, sah sie,
dass ihr Vater und Numair auf dem Felsstück saßen, das dem Haus als
Eingangstreppe diente. Der Unsterbliche, den sie entdeckt hatte, stand vor
ihnen auf dem Boden. Bei ihrem Herannahen drehte er sich um. Diese Bewegung
brachte die in seine langen, blonden Haare eingeflochtenen Knochen zum
Klappern. Dhana entspannte sich und warf ihre Steine weg. Für Rikash
Mondschwert brauchte sie sie nicht.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte der
grünäugige Sturmflügel. Im gleichen Augenblick erschien Breitfuß auf dem Pfad.
Numair stand stirnrunzelnd auf.
»Breitfuß wird es erklären«, sagteDhana und schlüpfte
zwischen dem Magier und ihrem Vater hindurch. »Ich muss mich säubern.«
Sie schrubbte sich ab und zog dann mit noch immer
zitternden Händen saubere Kleider an. Als sie sich das Haar kämmte, klopfte
Sarra an die Tür. »Wir essen im Garten«, rief sie. »Wenn du dich zurechtgemacht
hast, komm und bring eine Sitzstange mit hinaus für deinen Sturmflügel-Freund.«
Rasch beendete Dhana ihre Toilette und ging mit der Stange hinaus. Nachdem sie
die Sitzstange bei dem Tisch im Freien aufgestellt hatte, glitt Rikash vom
Hausdach herunter und nahm seinen Platz ein. Für einen Augenblick waren sie
allein. Numair und Weiryn waren nirgends zu sehen.
»Ihr habt uns hängen lassen«, sagte Dhana zu dem
Sturmflügel. »Wir dachten, eure Königin Barzha würde Ozorne erledigen, nachdem
er ein Sturmflügel geworden war. Stattdessen tauchte er im Frühjahr mit unseren
Feinden und Hunderten von Sturmflügeln auf.«
»Zweihundertundachtundvierzig, um genau zu sein«,
erwiderte Rikash verbittert. »Mit jenen, denen es egal ist, dass er eine
Königin und ihren Gefährten gefangen hielt. Mit jenen, welche die Tatsache
ignorieren, dass er seine Sturmflügel-Krone dadurch errang, dass er König
Jokhuhn hinterrücks tötete. Mit jenen, welche die Gesetze der Sturmflügel
missachten. Das ist die Armee, die ihm in das Reich der Sterblichen folgte.« Er
ließ ein bitteres Lachen hören. »Königin Barzha und ihre Anhänger sind zu
Flüchtlingen geworden, Dhana. Wir blieben in den Göttlichen Reichen, als die
Barriere fiel. Hier sind wir wenigstens vor Ozorne und seiner Meute sicher.«
Ohne sich um seinen durchdringenden Gestank zu kümmern,
legte Dhana beruhigend ihre Hand auf die Schulter des Sturmflügels. »Es tut
mir Leid, das zu hören. Wie geht es denn Königin Barzha und Lord Hebakh?«
»Sie sind müde«, antwortete der Unsterbliche. »Genau
wie ich. Er lässt uns jagen. Es genügt ihm nicht, die meisten unserer
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