Diablo III: Sturm des Lichts (German Edition)
gesehen. Sie alle konnten tot sein. Er und Humbart waren nun auf sich allein gestellt.
Allein im Angesicht einer Armee.
Der Totenbeschwörer machte einen Bogen um die Höfe der Gerichtsbarkeit, und nachdem er sich an ein paar Wachen vorbeigeschlichen hatte, stolperte er beinahe in eine Halle voller rastloser Luminarei, die sich leise unterhielten und auf die Ankunft des neuen Engels warteten. Zayl konnte nur hoffen, dass er weit von hier entfernt war, wenn sie herausfanden, was mit Gealith geschehen war – am besten im Versammlungssaal des Angiris-Rats.
Als die Explosion erklungen war, hatte sich kurz Verwirrung unter den Wachen breitgemacht, und mehrere von ihnen waren in Richtung der Gärten geeilt, während die anderen weiter hier die Stellung hielten. Zayl hatte die Aufregung genutzt, um sich unbemerkt von der Halle fortzuschleichen, und bald waren die Luminarei verschwunden. Die Korridore und Hallen, durch die er nun huschte, schienen endlos. Es war dunkler hier; in regelmäßigen Abständen brannten Ölschalen unter der Decke. Die Schädel von Dämonen verschiedenster Größe und Form zierten die Wände, und zwischen ihnen hingen Waffen: gewaltige Schwerter, Speere, stachelbesetzte Ketten, mächtige Eisenknüppel. Als er diesen Bereich endlich hinter sich gebracht hatte, durchquerte Zayl eine Art Atrium, wo ein Gobelin aus Fäden glühenden Lichts die mächtigen Schlachten darstellte, die im Laufe der Millennien zwischen Himmeln und Höllen gewütet hatten. Die Bilder bewegten sich und zeigten, wie Dämonen ausgeweidet wurden, wie die Sonne sich unter einer heranfliegenden Engelsarmee verdunkelte und wie die Erde aufbrach und schreckliche Monstren gebar. Auch die Großen Übel konnte Zayl erkennen, die sich in den tiefsten Tiefen der Höllen den Erzengeln zum Kampf stellten. Und er sah den Drachen, wie ein helles Sternbild am Himmel.
Als er den Raum mit dem Gobelin verließ, fühlte er sich größer, unbesiegbar fast, und die Finsternis, die über ihn gekommen war, begann zu verblassen. Vielleicht war er der Einzige der Horadrim, der noch am Leben war. Na und? Er konnte dennoch den Ratssaal erreichen und den Luminarei den Seelenstein unter der Nase wegstehlen! Er konnte die Mission zu Ende führen, genau, wie er es Tyrael geschworen hatte. Und falls sie ihn entdeckten, würde er bis zum Ende kämpfen und so viele Engel mit sich nehmen, wie er nur konnte. Mindestens zwei von ihnen hatte er bereits getötet. Warum also nicht noch mehr?
Vielleicht sollte er den Stein einfach vergessen, überlegte er, und sich seinen Feinden sofort stellen. Vielleicht waren sie das größere Übel. Der Zerstörer, der Thomas getötet hatte, war schließlich ein Luminarei, und es war gut möglich, dass Imperius ihm befohlen hatte, sie niederzumachen. Nicht zu vergessen, dass der Sicarai mit den Phantomen zusammengearbeitet hatte. Jenen Phantomen, die Salene auf dem Gewissen hatten … Es war offensichtlich, dass all die Schicksalsschläge, die ihn ereilt hatten, das Werk der Erzengel waren. Sie verdienten es, für ihre Sünden zu sterben.
„Steck ihn weg“, zischte Humbart. „Oder willst du, dass sie uns sehen?“
Zayl stellte fest, dass er seinen Dolch gezückt hatte.
„Sei leise“, flüsterte er. „Ich weiß schon, was ich tue …“
„Du glaubst, du kannst sie alle besiegen? Dieser Ort spielt deinem Verstand Streiche, mein Freund! Tu nichts Unüberlegtes! Denk an das Gleichgewicht! Deswegen bist du hier, um es wiederherzustellen – nicht, um Rache zu nehmen! Das ist nicht dein Weg, Zayl! Das bist nicht du!“
Fremdartige Gefühle strömten durch seinen Leib und rangen um die Kontrolle über seinen Geist. Humbart hatte recht: Er hatte vernachlässigt, was er während seiner Ausbildung gelernt hatte, und schon hatte die überwältigende Atmosphäre der Himmel ihn beeinflusst. Doch selbst, als er es versuchte, konnte er den Zorn nicht ganz verdrängen, jenes alles verschlingende Feuer, das unkontrolliert in seinem Inneren loderte …
Ein Geräusch erklang vor ihm, wo der Gang in einen größeren Raum mündete. Zayl presste sich unter einer Gruppe abgeschlagener Schädel mit offenen Mäulern und glasigen Augen an die Wand; dann schob er sich vorsichtig auf den Durchgang zu, obgleich ihm klar war, dass man ihn jederzeit entdecken konnte. Der Gedanke an Kampf ließ sein Herz schneller schlagen, sein Blut lauter durch seine Adern rauschen. Er spürte, ein Erzengel war in dem Raum vor ihm, vielleicht sogar Imperius
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