Diablo III: Sturm des Lichts (German Edition)
sollen wir ihn nur transportieren? Er ist viel zu groß!“
„Die Tasche wird sich so weit dehnen, wie nötig“, erklärte Zayl. „Ich glaube, die Gefühle Sterblicher lassen ihn noch schneller wachsen, doch das sollte kein Problem sein – falls der Sicarai die Tasche nicht allzu schwer beschädigt hat.“
Jacobs Herz schlug schneller, als passe es sich dem Pulsieren des Steins an. Erst jetzt fielen ihm die grauen Linien auf, welche die goldenen Muster des Bodens durchzogen und sich an den Wänden emporreckten. Sie gingen allesamt von dem Stein aus, der in ihrer Mitte thronte wie eine Spinne im Netz. Er dachte an die dunklen Streifen in den Bäumen, in den Gärten der Hoffnung. Es war, als hätte der Seelenstein ein Netz gesponnen, das die gesamten Himmel einhüllte, und die Engel waren in ihm gefangen, ohne es auch nur zu ahnen. Wieder stieg ein schleichendes Gefühl von Abscheu in ihm empor, als träte er in ein Loch voller Spinnen und Würmer. Er wollte diesen Raum verlassen – und je früher, desto besser.
Doch zunächst mussten sie den Stein verstauen.
Jacob öffnete die Tasche. Doch sie war viel zu klein, um irgendetwas Platz zu bieten, was größer war als Humbart. Er wollte etwas sagen, doch die Worte erstarben ihm auf den Lippen, denn plötzlich dehnte der Stoff sich zwischen seinen Fingern und klaffte auf wie ein hungriges Maul. Erschrocken ließ er die Tasche los, und sie flog in die Luft und stülpte sich über die schwarze, glänzende Oberfläche des Seelensteins wie eine Schlange, die ihren Kiefer aushängt, um ein Kaninchen mit einem Biss zu verschlingen. Stück für Stück rutschte sie nach unten, umschlang – nein, ver schlang – das Artefakt.
„Sie wird nicht schwer sein“, sagte der Totenbeschwörer. Er sprach gedehnt, als bereite es ihm Mühe. „Doch ich weiß nicht, wie viel Schutz der Zauber dir noch zu bieten vermag. Sobald der Stein dich berührt, wirst du ihm erliegen. Wir müssen so schnell wie möglich zurück zum Portal, bevor seine Wirkung bleibende Schäden hinterlässt.“
Jacob griff nach der Tasche, hob sie versuchsweise an, und stellte fest, dass Zayl recht hatte: Er konnte sie mühelos tragen. Doch schon nach wenigen Sekunden spürte er bereits ein brennendes Prickeln in seiner Hand.
„Ich glaube, ich schaffe es. Doch wir müssen einen kleinen Umweg machen, bevor wir zurückgehen.“
„Wir haben keine Zeit für Umwege“, erwiderte Shanar.
„ Er würde uns nicht im Stich lassen“, sagte Jacob. Bevor er die Worte ausgesprochen hatte, war er nicht wirklich von ihnen überzeugt gewesen, doch jetzt wusste er, dass es stimmte: Tyrael würde uns nicht zurücklassen, ganz gleich, was er uns über die Mission eingebläut hat. Gerechtigkeit geht über Pflichtgefühl hinaus . „Und solange wir noch Atem in unserer Brust haben, lassen wir ihn auch nicht im Stich!“
neununddreissig
Der Ring der Richtbarkeit
Chalad’ar verschlang ihn.
Während die Bestien im hinteren Teil der Zelle geifernd an ihren Ketten zerrten und ihr Blutdurst immer mehr wuchs, hielt Balzael Cullen das Schwert an die Kehle und zwang Tyrael, in den Kelch zu blicken.
Der Erzengel stürzte in einen bodenlosen Abgrund, durch Fäden aus Licht und Gefühl, die ihn zwischen Trauer, Verlust und Verzweiflung hin- und herschleuderten. Er spürte, was die Sterblichen, die ihm einst nahe gewesen waren, im Moment ihres Todes empfunden hatten; er teilte diese Momente mit ihnen, verlor sich in Schock, Furcht, Wut, Schmerz, gefolgt von der Erkenntnis, dass sie das Ende nicht mehr abwenden konnten. Eine Sekunde später waren sie verschwunden, und es gab niemanden mehr, der um sie trauerte.
Der Tod ist unvermeidlich. Er holt alle Sterblichen ein, und dann verrotten ihre Gebeine, zerfallen ihre Knochen zu Staub, kehren sie zurück zu den Elementen, aus denen sie gekommen sind. Allein ihr Vermächtnis überdauert die Zeit . In einem Krieg, bei dem das Schicksal der Welten auf dem Spiel stand, musste man jeden Vorteil nutzen, jede strategische Möglichkeit erwägen. Falls sie starben, um ein größeres Ziel zu erreichen, taten sie dann das Richtige? Was wog der Verlust einer einzigen Seele gegen den ewigen Streit zwischen Gut und Böse, Licht und Dunkelheit?
Und was, wenn man diese Entscheidung für andere traf? War es gerechtfertigt, jemanden in den Tod zu schicken? Oder war es Mord? War eine Massenhinrichtung der richtige Weg, wenn man durch sie einen Streit beendete, der schon seit Millennien schwelte? Ein
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