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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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taten.
    Mit dem Gedanken und der Vorfreude auf ein Abendessen, das ich mir über dem antiken Herd meines Großvaters zu bereiten gedachte, verflog meine anfängliche Beklommenheit etwas und machte gar Platz für den Anflug fast vergnüglicher Heiterkeit. Immerhin befand ich mich in dem Haus, in dem mein Vater die letzten sieben Jahre seines Lebens verbracht hatte. Und mir, seinem Nachfahren, war es zuteil geworden, mich um das Erbe zu kümmern – in welcher Form auch immer.
    Mit den Gedanken an meinen Vater im Kopf und der Vorfreude auf den Geruch röstender Kartoffeln und frisch gekochten Gemüses, das ich in einer hölzernen Kiste unter dem Regal vorfand, vergaß ich sogar mein Vorhaben, den Brief meines Vaters, den dieser ausdrücklich an mich gerichtet hatte, noch einmal zu studieren.
    Erst in der Nacht sollten meine Gedanken daran zurückkehren …

    Ich schlief sehr unruhig. Was hatte ich erwartet? War ich wirklich ein derartiger Narr, dass ich mich brüsten konnte, mich dem archaischen Atem des Hauses entziehen zu können?
    Auch wenn es das Haus war, das mein Vater die letzten sieben Jahre bewohnt hatte, und ich immer noch seine angenehme Gegenwart zu spüren glaubte – wobei ich die Erinnerung an meinen letzten Besuch vor sechs Jahren und die unheimliche Veränderung des Jeremiah Wilkes zu verdrängen suchte – so spürte ich gerade des Nachts, wenn sich eine bleierne Stille über das Haus legte und nur der schwache Schein einer heruntergedrehten Öllaterne in der Wohnstube unter der Schlafstubentür hindurchsickerte, die drohende Präsenz meines Großvaters in jeder Nische des Hauses. Es erschien mir, als wären die niedrigen Räume mit ihren düsteren, tiefhängenden Balken noch immer seine Heimstätte.
    Die alten Traumgebilde, die mich seit meiner Kindheit suchten und in stillen, angstgeschwängerten Nächten fanden und peinigten, hatten mich in dieser Nacht so grauenvoll und erniedrigend heimgesucht, wie schon seit Jahren nicht mehr. Stets hatte ich die Hoffnung gehegt, ich wäre in der Lage, den Nachtmahr zu besiegen, wenn ich in meiner Wohnung in London wach liege und um mich herum das stete Pulsieren einer Stadt flackerte, in der es, so schien es mir, immer etwas zu erleben gab, und die stets nur mit einem Auge zu Schlafe ging.
    Ich hatte mir in diesen Nächten, wenn ich aus den Abgründen eines düsteren Traumes emporgestiegen war und schweißgebadet in meinem Bett lag, immer zu suggerieren versucht, dass mich der Schoß einer lebendigen Stadt von den Fesseln der Kindheit heilen möge. Doch was das Wesen von London in all den Jahren und Jahrzehnten nie geschafft hatte, konnte in einem sterbenden, in der Zeit hängen gebliebenen Ort wie Arc´s Hill erst recht nicht gelingen.
    Hier, wo der Dämon meiner Träume seine Geburtsstätte hegte, wo sich die Dunkelheit aus den Bergen wie ein Leichentuch über die Häuser und Seelen der Menschen legte und Schweigen die Träume erstickte, keimte die unheilige Saat, die mein Großvater einst gestreut hatte, auf fürchterliche Weise und zog mich in ungeahnte Tiefen schwärzester Visionen und zermürbender Traumgebilde hinab, deren Essenz ich selbst als Kind nie zu fassen bekommen hatte.
    In einer Wüste schier endloser Nacht hatte ich ihn wandeln gesehen, meinen Großvater, Henry Wilkes, den Schwarzen Mann. Still und festen Schrittes hatte er die schwarze Wüste durchquert, in der sich nichts regte, nichts lebte und es weder Zeit noch Raum zu geben schien. Und ich war ihm gefolgt. Mit angehaltenem Atem und schlagendem Herzen, das in der Lautlosigkeit meines Angsttraumes verräterisch hämmerte und brüllte.
    Unbeirrt schritt mein Großvater, ein schwarzer, riesiger Schatten, durch dieses unheimliche, unwirtliche Reich, bis er auf eine düstere Pforte traf, die einer morschen Tür glich. Ich wehrte mich dagegen ihm zu folgen, wollte zurück in die Dunkelheit meiner Schlafkammer, in der ich lag. Fort von diesem blasphemischen Ort, der den Gesetzen unseres Herrn nicht unterworfen war und Sklave einer anderen, fremden und erschreckenden Macht war. Doch zog es mich weiter, als wäre ich untrennbar mit Henry Wilkes verbunden, als zöge mich der alte Mann mit einer gespenstischen Macht an … als gehörte ich zu ihm.
    Als mein Großvater die archaische Pforte erreichte, verharrte er kurz davor, wobei er in beschwörender Manier die Arme hob und Sätze ausstieß, die ich nicht verstehen konnte. Er sprach in Worten, deren Sinn ich nie erlernt hatte.
    Ich spürte die

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