Diabolos (German Edition)
jetzt mit der Planung beginnen, damit wir so schnell wie möglich wieder bei unseren Lieben sein können«, begann Bernd. Wir planten daraufhin den Ablauf des nächsten Tages und ich vermute, dass niemand seine Liebsten wiedergesehen hat. Von Klaas weiß ich es sogar.
Ich hatte mit Basti, einer Aushilfe, den ersten Termin in einem Seniorenstift. Herr Burkhardt war im Alter von 87 Jahren in der Nacht verstorben und sollte dringend abgeholt werden. Der Pflegerin hatte er abends noch mitgeteilt, dass ihn jemand gebissen hätte, Jugendliche vom Bahnhof seien ihm zur Hilfe gekommen und hätten den Fremden mit Gewalt vertrieben. Die Pflegerin hatte es, wie verordnet, den Behörden gemeldet. Nachdem sie über zwei Stunden bei ihrem Patienten verweilt hatte, ohne dass sich jemand für ihr Anliegen zuständig fühlte, dokumentierte sie den Fall, überprüfte Herrn Burkhardts Zustand und stellte fest, dass er zwischenzeitlich verstorben war. Der noch in der Nacht kommende verantwortliche Arzt hatte uns kontaktiert, Bernd hatte die Behörden informiert (in der Nacht!) und wir wurden umgehend mit dem Todesfall beauftragt.
Um 4:30 fuhren wir mit einem Transportsarg in den Norden Hamburgs zum Schröder-Stift-Gebäude. Obwohl wir so früh unterwegs waren, sahen wir zahlreiche Rettungswagen und mussten wegen einer Straßensperre auf eine Nebenstrecke ausweichen. Und immer noch waren wir besorgt, auch alarmiert, sahen aber keine unmittelbare Gefährdung unseres eigenen Wohls. In den Nachrichten war die Rede von einem aggressiven Virus, das sich allerdings nur über das Blut übertragen konnte.
»Lass uns mal heute auch Handschuhe nehmen«, schlug ich vor und Basti stimmte zu.
Uns Bestattern war es ein Gräuel mit ihnen zu arbeiten, aber nun schien es angebracht. An die Schutzanzüge hatten wir gar nicht gedacht. Um 5:00 Uhr trafen wir Sonja, die Pflegerin, die uns die Tür aufschloss. Auch sie wirkte übernächtigt. Wir sahen uns in der Wohnung des Verstorbenen um. Der hagere Leichnam lag im Bett, das Zimmer war spärlich möbliert, so wartete augenscheinlich ein einfacher Transfer vom Bett in den Sarg auf uns.
»Er sagte, er sei von jemandem gebissen worden«, stellte ich nach Durchsicht der Unterlagen in Richtung der Pflegerin fest, während Basti den Sarg auskleidete.
»Ja, das hat er tatsächlich gesagt. Eigentlich war er noch so rüstig, ist jeden Abend spazieren gegangen. Aber gestern war er einfach nur aufgeregt und verwirrt. Er hat mich immer Heidi genannt, wie seine Tochter«, ging Sonja auf meine Feststellung ein.
»Hatte er denn eine Wunde?«, fragte ich nach.
»Ja, er hat an der Hand geblutet, die habe ich dann noch versorgt.«
Sie hob die Decke an und zeigte mir die bandagierte rechte Hand des Toten.
»Haben sie das auch dem Arzt gemeldet?«
»Natürlich!«, entgegnete sie forsch.
Ich nickte.
»Bin soweit«, gab Basti bekannt. Wir hievten den Sarg auf den Rollwagen und schoben ihn zum Bett, als uns ein Stöhnen verwirrte. Es hörte sich tatsächlich an, als sei aus Herrn Burkhardt ohne äußere Einwirkung Luft entwichen. Normalerweise konnte so etwas erst in einem späteren Stadium der Verwesung passieren.
»Was war das?«, fragte die Pflegerin und Panik schwang in ihrer Stimme.
»Nichts Beunruhigendes, es kann durchaus vorkommen, dass Luft …«
Unter der Bettdecke des Verstorbenen bemerkte ich eine Bewegung. Mir stand der Mund offen, Basti ebenso, auch er hatte es gesehen.
»Was ist?«, fragte Sonja.
Ich rang um Fassung und suchte nach dem Totenschein, den ich schon durchgesehen hatte. »Also, der zuständige Arzt hat tatsächlich den Tod fest–«
Sonja schrie auf. Herr Burkhardt erhob sich langsam aus seinem Bett. Seine Augen blickten uns an und sahen aus wie die Augen eines Verstorbenen. Seine Bewegungen waren abgehackt und steif. Ich hatte keine Erklärung für dieses Phänomen und auch mein Erlebnis bei den Bali-Aga zog ich trotz meiner Fassungslosigkeit nicht als mögliche Begründung heran.
»Oh Gott!«, schrie Basti auf und musste sich am Sarg abstützen.
»Herr Burkhardt!«, sagte ich laut und dominant, um den vermeintlich Verstorbenen kraft meiner Stimme zu erreichen und erhoffte mir ein klareres Lebenszeichen von ihm.
Der Alte stürzte aus dem Bett und schlug mit dem Gesicht zuerst auf den Boden. Wir schrien auf. Sonja war als Erste bei ihm und griff ihn unter den Armen, Basti versuchte Herrn Burkhardt von vorne aufzurichten. Ich blieb skeptisch, mir war die Situation nicht geheuer. Herrn Burkhardts Kopf
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