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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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der Insel aufgebrochen. Brandon hatte wegen der geplanten Tour sehr früh losfahren wollen, doch bis Heather endlich ein bestimmtes, neon-grünes T Shirt für ihre Nichte in Fresno ergattert hatte, war es bereits deutlich nach 10 geworden.
    Ihr Weg führte sie – entgegen der eigentlichen Route – nicht nach Westen in Richtung Agios Nikolaos, von wo sie nach einer letzten Übernachtung zum Flughafen in Iraklio zurückkehren würden, sondern weiter südöstlich nach Paleokastro. Von dort gabelte sich die Straße nach Norden und Süden. Im Norden lag Vai, der einzige Palmenstrand der Insel, den sie am Vortag besucht hatten. Vielleicht war es hier gewesen, das einzige Mal während der gesamten Reise, als sie das Baden und Sonnen, das Dösen unter tief hängenden Palmenblättern, das Erkunden einer kleinen, vorgelagerten Insel, einfach das Zusammensein, unbeschwert hatten genießen können. Kurzzeitig glaubten sie sich nach Hawaii versetzt; nur Bast schwingende Hula Mädchen und tollkühne Wellenreiter fehlten. Sie vergaßen einfach den Grund ihrer Reise, und es war gut so. Aber es half nichts. Schon beim Abendessen in einer Taverne in Sitia verhärteten sich die Fronten wieder. Im Rückblick war es beiden direkt peinlich, wie viel Spaß sie an diesem Tag und vor allem miteinander gehabt hatten. Spitzen Bemerkungen folgte überhebliche Ironie, dann Sarkasmus und schließlich Schweigen. Immer wieder lief es daraufhin hinaus. Für lange Zeit blieb das dumpfe Dröhnen des Motors das einzig wahrnehmbare Geräusch. Brandon konzentrierte sich ganz auf das Fahren; er hatte sich regelrecht mit dem kleinen, aber erstaunlich leistungsstarken Seat Marbella angefreundet. Der kleine Miniscooter – wie er ihn nannte – war genau das richtige Verkehrsmittel, um die steilen, kurvenreichen Straßen zügig bezwingen zu können. Ein fehlender Bremskraftverstärker, direkte Lenkung und eine kaum vorhandene Federung waren zwar sehr gewöhnungsbedürftig, aber äußerst wirksam. Das Auto vermittelte dem Fahrer dadurch ein besonderes Gefühl für die Straße. Mit einem Luxusschlitten wie seinem 92er Oldsmobile hätte er viele Strecken sicher falsch eingeschätzt und einen Achsenbruch oder Schlimmeres riskiert. Die geringe Höchstgeschwindigkeit des Seat war auf der Insel nahezu bedeutungslos, nur sehr selten, auf einigen übersichtlichen Geraden, konnte Brandon die Tachonadel einmal über die 80 km/h Anzeige schnellen lassen. Alles andere wäre einem Selbstmord gleichgekommen. Als ein Ortsschild in griechischer und lateinischer Schrift ›Paleokastro‹ verkündete, wandte sich Brandon erstmals wieder seiner Frau zu.
    »Wir sind kurz vor der Abzweigung«, sagte er. »Irgendwo müsste es hier nach Kato Zakros abgehen. Kannst du mal kurz auf die Karte schauen?«
    Heather reagierte nicht; ihr Kopf war auf die Brust gesunken, die Hände lagen bewegungslos im Schoß. Offensichtlich hatte sie gehofft, die Fahrt am besten schlafend überstehen zu können. Brandon verschluckte einen Fluch und gab wieder Gas. Am Wegweiser nach Vai bog er in die entgegengesetzte Richtung ab. Bei den wenigen Straßen, die es hier gab, würde er auch ohne Karte zurecht kommen, dachte er. Zwei Kilometer weiter kam er jedoch an eine weitere Weggabelung, diesmal nur in griechischer Schrift ausgeschildert. Er stöhnte. Dieses Griechisch war für ihn ein Buch mit sieben Siegeln, nicht einmal die Vokale konnte er sich merken. Spontan entschied er sich für einen Weg, der sich aber sehr bald von einer Straße in eine Schotterbahn verwandelte. Holpernd fuhr er dennoch im 2. Gang weiter, wie ein verstocktes Kind, das seinen Willen mit Gewalt durchsetzen wollte.
    Immer größere Schlaglöcher machten ein Vorwärtskommen schwierig, kantige Findlinge und dorniges Gestrüpp bedeckten wie Unrat die tief ausgefahrenen Erdrinnen. Keine 20 Meter von einem alten, verrosteten Ortsschild entfernt, hielt Brandon schließlich an. Diesmal schrie er seinen Ärger lautstark heraus.
    Heather zuckte zusammen und blickte sich verwirrt um. »Wo … wo sind wir hier?«, fragte sie verschlafen.
    »Wo?«, schnaubte ihr Mann. »Soll ich dir was sagen, ich habe nicht die geringste Ahnung.« Mit einer Hand deutete er auf das Schild vor ihnen. »Du bist doch diejenige, die diese Hieroglyphen entziffern kann. Also lies!«
    Heather streckte ihren Hals vor, als sei sie kurzsichtig. »A...An..Angathia«, buchstabierte sie. Sie bückte sich nach der Hertz-Karte, die zerknittert irgendwo unter ihren Füßen

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