Diabolos (German Edition)
lag, glättete sie und suchte dann mit dem Zeigefinger die Ostküste ab. »Da, Angathia«, murmelte sie. »Ein kleines Kaff östlich von Paleokastro. Du bist falsch abgebogen.«
»Ach, meinst du«, erwiderte Brandon scharf. »Auf diese Idee wäre ich im Leben nicht gekommen. Ist aber völlig okay. Schlaf du nur weiter. Ich kann ja in der Zwischenzeit fahren, die Karte studieren … und nebenbei noch einen Fernkurs in Griechisch belegen!«
Die letzten Worte schrie er so laut, dass die Scheiben im kleinen Innenraum des Seat hörbar vibrierten.
»Aber klar doch, so sieht es also aus«, erwiderte Heather in betont ruhiger, aber ironischer Weise. Er hasste es, wenn sie so beherrscht blieb. »Nun bin ich es wieder, die an allem Schuld hat. Die eigensinnige, egoistische, dumme Heather. Für das arme Köpfchen ihres Göttergatten ist es aber auch nicht zumutbar, 20 dämliche Buchstaben zu lernen. Wo er doch so viel anderes in seinem Köpfchen haben muss. So viele wichtige Dinge …«
»Hör auf damit, verdammt«, unterbrach er sie. »Wenn du nicht sofort dein kleines Schandmaul hältst, werfe ich dich hier in dieser Wildnis raus. Du kannst ja dann sehen, ob sie in diesem Angatta oder wie auch immer ein Telefon haben. Sieht mir allerdings nicht danach aus. Von hier bis nach Sitia in einem Eselkarren, wäre doch eine bleibende Reiseerinnerung, oder?«
»… so viele wichtige Dinge«, fuhr Heather unbeirrt fort, »wie z.B. die Telefonnummer von Charlene Tibeau.«
»Oh, mein Gott!«, stöhnte er, »was soll DAS jetzt wieder? Das mit Charlene war nur eine einmalige Sache, ist längst vorbei. Das weißt du ganz genau.«
Heather drehte sich nun ganz zu ihm herüber. »Ach ja? Und warum steht dieses Miststück dann immer noch in deinem Terminkalender? Mühevoll verschlüsselt unter T. C. - wie ›Tolle Chance‹?«
Brandon schlug mit seiner Hand fest gegen das Lenkrad. »Verdammt!«, fluchte er erneut, nun aber auch um einiges leiser. »Ist das jetzt die alles entscheidende 100.000-Dollar-Frage? Okay. Wenn du schon in meinen Sachen herumspionierst, hättest du dir wenigstens die Mühe machen können, genau hinzusehen. Der Kalender ist vom vergangenen Jahr, und außer Charlenes Nummer stehen dort noch zig andere, wirklich wichtige Anschlüsse von Geschäftskunden. Dazu noch unzählige andere Notizen. Ich bin halt noch nicht dazu gekommen, sie zu übertragen.«
»Wie bitte?«, fragte Heather spitz. »Noch nicht dazu gekommen? Wir haben August und der Herr ist noch nicht dazu gekommen. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?«
Ohne ihr eine Antwort zu geben, rammte Brandon den Rückwärtsgang ein und gab Gas. Der kleine Seat machte einen Satz und schlingerte dann mit hohem Geheul zwischen dem bewachsenen Mittelsteg und dem dichten Gebüsch an den Rändern des Weges hin und her. Brandon fuhr derart verbissen, dass er den Wagen einige Male nur noch mit letzter Kraft auf der schmalen Fahrspur halten konnte. Das schrille Motorengeräusch und das erdbebenartige Gerüttel hatten Heather verstummen lassen. Krampfhaft umklammerte sie mit beiden Händen den schmalen Griff oberhalb der Tür. Ihre leicht geröteten Wangen waren schlagartig wieder blass geworden. Brandon, der ihr verspanntes Gesicht halb aus den Augenwinkeln heraus beobachtete, genoss diesen Ausdruck. Erst nach knapp einem halben Kilometer fand sich eine breite Ausbuchtung zum Wenden. Brandon gab ein erleichtertes Schnaufen von sich; vom langen Rückwärtsfahren verspürte er bereits die ersten Vorboten eines Nackenkrampfs. Nachdem die Räder wieder über flachen Schotter und wenig später über Asphalt rollten, gewann er mühsam ein kleines Stück seiner alten Gelassenheit zurück. Seine Frau verhielt sich auch weiterhin so, als wollte sie jeden Augenblick aus dem Wagen springen. Ihr Körper presste sich dabei so eng an die Tür, als benötigte noch eine dritte, unsichtbare Person die Hälfte ihres Sitzes. Sie fuhren bereits schon wieder eine ganze Weile auf der Hauptstraße, als sich ihre verkrampften Finger endlich wieder aus dem Haltegriff lösten. Unschlüssig betrachtete sie ihre zittrigen, schweißfeuchten Hände und versteckte sie dann unter der ausgebreiteten Straßenkarte.
Am liebsten hätte Brandon das Radio eingeschaltet. Musik beruhigte, machte locker, entkrampfte. Die richtigen Songs konnten Wunder bewirken. ›Don't worry, be happy!‹ Vielleicht war wirklich alles so einfach. Bei dem ersten und einzigen Versuch hatte er dem billigen Plastikgehäuse
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