Diabolos (German Edition)
sie wusste doch, wie Brandon darauf reagieren würde. Wenn wir doch nie diesen lästigen Engländern begegnet wären , wünschte sie sich nicht zum ersten Mal. Keine zwei Tage nach dem geplatzten Samaria-Ausflug waren sie den beiden aufdringlichen Schotten über den Weg gelaufen. Brenda und Dan, Fly-and-Drivers, genau wie sie. Nach den obligatorischen 'Hallos' entschloss man sich, ein gemeinsames Mittagsessen einzunehmen. Alles lief gut. Brenda erzählte von einer Kusine, die irgendwo in den Staaten lebte, und Dan schwärmte von einem Traumurlaub, die Interstate 1 hinunter, den er einmal als Rentner zu unternehmen gedachte. Heather hatte sich gerade richtig entspannt, als Brenda plötzlich – sozusagen zum Dessert – berichtete, wie einmalig, ja umwerfend ihre Wanderung durch die Samaria Schlucht gewesen sei. (»Wart ihr auch dort? Nein? Oh, wie schade!! Es war anstrengend, zugegeben, aber absolut umwerfend. Fantastisch!«) Am liebsten hätte Heather der dicken Rothaarigen eine ganze Honigmelone in ihr Plappermaul gestopft. Stattdessen machte sie gute Miene zum bösen Spiel. Brandons Gesicht war während des Reiseberichts immer länger geworden. Sie spürte förmlich, wie es in ihm brodelte. An diesem Abend hatten sie nicht erst lange nach einem Thema für ihre verbalen Gefechte und Attacken suchen müssen. Nun gut , dachte sie einsichtig, vielleicht hatte ich die Sache falsch eingeschätzt. Doch was verlangte er eigentlich von ihr, sie war schließlich nicht der allwissende ›Mr. Polyglott‹ persönlich. Das Tal der Toten war also eher der Versuch einer Versöhnung, eine nicht ganz gelungene Ersatzlösung – wie dieser ganze unglückselige Urlaub. Und dennoch war noch nicht alles verloren. Sie war eine Frau, die sich erst geschlagen gab, wenn der Ringrichter laut und deutlich »10« gerufen hatte. Bislang war sie erst bei »7« angekommen, allerhöchstens bei »8«.
»Jetzt halt DU aber mal die Luft an«, begann sie ihren Konter. »Ich mag vielleicht zuerst den Einwand vorgebracht haben, der Abstecher sei zu weit, DU warst es aber doch, der sich die Karte genau angesehen hat. Beinahe auf den Millimeter genau hast du die Strecke abgemessen und eingesehen, dass ich wohl recht hatte.«
Brandon schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich soll es eingesehen haben? Allerhöchstens habe ich nachgegeben, um deine ewigen Tiraden nicht mehr hören zu müssen. Du hast mich doch derart bedrängt, dass mir der Kopf schwirrte. Ich wollte nur meine Ruhe haben, das war alles.«
Heather reagierte sich dadurch ab, indem sie eine weitere, diesmal knietiefe Steinstufe hinunterglitt. Wieder leistete ihr der feste Jeansstoff der fransigen Shorts dabei gute Dienste. Während sie sich den Staub von ihrem Allerwertesten klopfte, schaute sie wütend nach oben. Ihr Mann stand nun ein deutliches Stück über ihr, eine Position, die er offenbar auskostete.
»So gefällst du dir wohl?«, fragte sie. »Hoch über mir thronend. Unfehlbar. Verdammt, hör doch endlich auf mit diesem Mist! Merkst du denn nicht, wie lächerlich das hier alles klingt? Dein arrogantes Gehabe erlaubst du dir doch erst seit vorgestern. Wenn dir diese schottische Zicke nicht ständig ihr »EINFACH UMWERFEND!« ins Ohr geprustet hätte, wärst du doch nie auf den Gedanken gekommen, unseren Entschluss – ich betone – unseren Entschluss in Frage zu stellen.«
Brandon zuckte nur kurz mit den Schultern. »Ja … nein … ach, ich weiß es auch nicht. Mag sein.«
Mit zwei kurzen Zwischensprüngen landete er auf dem Felsen oberhalb von Heather und setzte sich dann auf die Kante.
»Wenn du es genau wissen willst, so ist es mir eigentlich auch egal.«
Scheinbar müde fuhr er sich mit der Hand durchs ganze Gesicht. Die weit gespreizten Finger brachten sein durch den Wind ohnehin schon zerwühltes Haar noch weiter in Unordnung. Heather bemerkte erstaunt, wie nervös seine Bewegungen waren. Etwas zu hastig nahm er seine Sonnenbrille ab und musterte seine Frau aus zusammengekniffenen Augen.
»Zum Teufel, was tun wir hier eigentlich!«, entfuhr es ihm. »Spielen wir hier etwa eine von diesen dämlichen, griechischen Tragödien? Liebe, Eifersucht, Intrige, Hass und Tod in fünf Akten? Wenn ja, dann fehlt mir aber eindeutig das Publikum.«
»Und die Götter«, ergänzte Heather. »Im alten Griechenland geschah nichts ohne den Willen der Götter.«
Brandon schob sich von seinem Sitzplatz und landete direkt neben ihr.
»Aber die Götter sind tot«, sagte er. »Heutzutage sind
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