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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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Sein Zimmer befand sich am Ende eines Flures mit Kochnische und Kühlschrank. Der Teil des Hauses, der sich direkt über seinem Zimmer befand, war an zwei schwergewichtige Lesben vermietet, die immer grimmig schauten und nur flüchtig grüßten. In der anderen Haushälfte wohnte der Sohn seines Vermieters, Herr Eckart, mit einer Frau, die er sich aus Thailand mitgebracht hatte.
    Neben der bestechend niedrigen Miete hatte die väterliche Art des Herrn Eckart Senior den Ausschlag gegeben, dass Carsten sich für das Zimmer entschieden hatte. Bei der Vertragsunterzeichnung war aber bereits der jüngere Eckart zugegen gewesen, dem Carsten vom ersten Moment an misstraute.
    Als sich das Bedrohungsgefühl in seinen vier Wänden verdichtet hatte, war Carstens Verdacht sofort auf Eckart Junior gefallen. Wo er auftauchte, verbreitete der zu Übergewicht neigende Mittdreißiger mit der quäkenden Stimme eine Atmosphäre voll Missgunst und Gereiztheit. Carsten war sich sicher, dass der Junior etwas zu verbergen hatte – das bewiesen schon seine dauerhaft schwitzigen Hände und sein ausweichender Blick. Zudem war der Junior der einzige Hausbewohner, der sich häufiger im Keller blicken ließ. Er kam abends – sogar mitten in der Nacht – herunter, vorgeblich um sich aus seinem Weinlager zu bedienen. Auf Zehenspitzen pirschte er dabei den Flur hinab, um dann, wenn er Carsten doch begegnete, mit irgendetwas zu poltern, um jeden Verdacht zu zerstreuen, er hätte unbemerkt bleiben wollen. Es erschien Carsten immer wahrscheinlicher, dass Eckart ihn bespitzelte. Manchmal lag er schlaflos in seinem Bett und hielt den Atem an, weil er plötzlich wusste, dass Eckart bewegungslos im Flur stand und seinerseits lauschte.
    Aber Eckart tat mehr als nur spionieren. Er manipulierte die Trinkwasserleitungen. Er versuchte vermutlich, Carsten auf diese Weise zu vergiften. Zwei Monate lang hatte Carsten sich wegen der plötzlichen Beeinträchtigung seiner Sehstärke gesorgt, ohne dass er sich zu einem Arztbesuch hatte durchringen können. Dann kam ihm eines Tages die Erkenntnis, als er sich ein Glas mit Leitungswasser gefüllt hatte und eben davon trinken wollte: Der Grund seiner Augenkrankheit musste im Wasser liegen! Als er das Glas gegen das Licht hielt, erkannte er darin winzige, nicht einmal haardünne Fäden, die in der Flüssigkeit trieben. Carsten erinnerte sich an einen Alptraum, in dem ihm Eckart erschienen war, wie er, von Schweiß überströmt und immer wieder flackernde Blicke über die Schulter werfend, aus der Wand des Heizungskellers ein Rohr freigelegt und geöffnet hatte, um aus einer Phiole eine glänzende, leimartige Substanz hineintropfen zu lassen. In diesem warnenden Traum hatte Carsten die giftigen Fäden im Wasser in vielhundertfacher Vergrößerung gesehen. So enthüllte sich ihm, dass es Mikroorganismen waren, mit geleeartigen Körpern in der Form von Kaulquappen, aber mit den Köpfen und Zähnen von versteinerten Raubsauriern.
    Von nun an verwendete Carsten nur noch gründlich abgekochtes Leitungswasser, zum Duschen ging er in die Sportanlage auf dem Campus. Da sich sein Augenlicht seitdem zumindest ein wenig gebessert zu haben schien, war für ihn erwiesen: Eckart wollte ihn entweder töten oder ihm das Augenlicht rauben. Doch Carsten schien ausgeschlossen, dass Eckart aus eigenem Antrieb handelte. Es steckte jemand anderes dahinter! Das Lesbenpaar hielt er für genauso unbeteiligt wie Eckarts Weibchen, das der deutschen Sprache kaum mächtig war und sich den ganzen Tag mit Kosmetikprodukten beschäftigte.

    *

    Weshalb hatte er nicht zu fliehen versucht? Natürlich hatte er mit der Entscheidung gerungen, in seine Heimatstadt zurückzukehren. Seine Pläne mussten aber begraben werden, nachdem sich gezeigt hatte, dass die Verschwörer ihn auch daheim finden würden … oder bereits dort auf ihn warteten.
    Seit dem Umzug hatte er seine Familie zwei Mal besucht; zwischen Weihnachten und Neujahr und in der vorlesungsfreien Zeit im März. Während seines ersten Besuches hatte sich sein seelisches Gleichgewicht prompt und reibungslos wieder eingestellt. Als ihn am Bahnsteig das Begrüßungskomitee seiner Freunde mit Trillerpfeifen und einem Bierkasten überfiel, erschienen ihm die zurückliegenden Monate so fern und flüchtig wie ein schlechter Traum, dessen Absurdität einem nach dem Aufwachen bewusst wird. Er hatte sich sicher gefühlt; er hatte die Geselligkeit und die vertraute Umgebung so sehr genossen, dass er keinen

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