Diabolus
Auge beobachtete er die Tür.
»Als ich vor ein paar Wochen gewahr wurde, dass Diabolus meistbietend versteigert werden soll, habe ich akzeptieren müssen, dass Tankado es ernst meint. Mir war klar, dass wir erledigt sind, wenn er den Algorithmus an eine japanische Softwarefirma verkauft. Also habe ich mich hingesetzt und überlegt, was ich dagegen unternehmen könnte. Ich habe sogar daran gedacht, Tankado liquidieren zu lassen. Aber bei dem Aufsehen, das sein Algorithmus und seine jüngsten Behauptungen zum Thema TRANSLTR erregt haben, hätte natürlich sofort alles mit dem Finger auf uns gezeigt. Und da ist mir aufgegangen. . .«, er blieb vor Susan stehen, »dass ich Diabolus eben gerade nicht verhindern sollte.« Susan sah ihn verständnislos an. »Ich habe in Diabolus die Chance meines Lebens erkannt«, fuhr Strathmore fort. »Ich habe auf einmal begriffen, dass Diabolus mit ein paar kleinen Änderungen für uns und nicht gegen uns arbeiten würde...«
Susan hatte selten einen solchen Blödsinn gehört. Diabolus war ein nicht dechiffrierbarer Algorithmus. Er würde ihnen das Lebenslicht ausblasen.
»Wenn ich«, fuhr Strathmore fort, »ja, wenn ich eine winzige Veränderung an dem Algorithmus vornehmen könnte..., selbstverständlich, bevor er auf den Markt kommt...« Er blinzelte Susan verschwörerisch zu. Es dauerte nur einen Moment, bis bei Susan der Groschen gefallen war. Strathmore konnte es an ihren Augen ablesen. Aufgeregt erläuterte er ihr seinen Plan.
»Wenn ich den Schlüssel in die Hand bekomme, kann ich unsere Version von Diabolus öffnen und die Veränderung einfügen.«
»Ein Hintertürchen!« Susan hatte bereits vergessen, dass der Commander nicht aufrichtig zu ihr gewesen war.
»Genau wie bei Skipjack!«, sagte sie erwartungsvoll. Strathmore nickte.
»Anschließend würden wir im Internet Tankados frei herunterladbare Version gegen unsere modifizierte Version austauschen. Diabolus ist ein japanischer Algorithmus. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, dass die NSA mit von der Partie ist. Wir müssten bloß diesen Austausch bewerkstelligen.« Susan musste zugeben, dass dieser Plan mehr als genial war. Das war Strathmore pur: Sich zum Geburtshelfer eines Algorithmus machen, den die NSA knacken konnte!
»Diabolus wird über Nacht zum globalen Verschlüsselungsstandard werden - und wir hätten freien Zugriff!«
»Über Nacht?«, wandte Susan ein.
»Was macht Sie da so sicher? Selbst wenn Diabolus von jedermann gratis heruntergeladen werden könnte, würden die meisten Computernutzer schon aus reiner Bequemlichkeit noch einige Zeit ihre alten Algorithmen weiter benutzen. Wieso sollten sie auf Diabolus umstellen?« Strathmore lächelte.
»Ganz einfach. Es wird ein Geheimhaltungsleck geben. Alle Welt wird plötzlich wissen, dass wir den TRANSLTR haben.« Susan staunte mit offenem Mund.
»So einfach ist das, Susan. Wir müssen nur dafür sorgen, dass die Welt von dem Computer der NSA erfährt, der sämtliche Algorithmen knacken kann - außer eben Diabolus!« Susan konnte sich nur noch wundern.
»Und jeder wird schleunigst zu Diabolus wechseln, aber nicht wissen, dass wir es lesen können.« Strathmore nickte.
»Genau.« Eine lange Stille entstand.
»Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht die Wahrheit gesagt habe, aber Diabolus umzuschreiben ist kein Kinderspiel. Ich wollte Sie da heraushalten.«
»Ich. . . ich verstehe«, sagte Susan nachdenklich. Sie staunte immer noch, wie brillant das alles eingefädelt war.
»Als Lügner sind Sie gar nicht schlecht!«
»Das macht die jahrelange Übung«, schmunzelte Strathmore.
»Ich wollte die Sache im kleinen Kreis halten.«
»Und wie klein ist der Kreis?«
»Sie haben ihn vor sich.« Susan lächelte zum ersten Mal seit einer Stunde.
»Dass Sie das sagen würden, habe ich schon befürchtet.«
Strathmore hob die Schultern.
»Sobald Diabolus an Ort und Stelle ist, werde ich unseren Direktor informieren.« Susan war beeindruckt. Strathmore hatte im Alleingang einen globalen nachrichtendienstlichen Rundumschlag von bisher unvorstellbarem Ausmaß eingefädelt, und es sah durchaus danach aus, dass der Plan funktionieren würde. Tankado war tot, sein Partner war ausfindig gemacht, und unten wartete der Key. Susan schwieg nachdenklich. Tankado ist tot. Sein Tod passte ausgezeichnet ins Konzept. Susan dachte an all die Unwahrheiten, mit denen Strathmore sie eingedeckt hatte. Sie
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