Diabolus
Strathmore nickte. Susan schien sich keine Sorgen zu machen.
»Vielleicht ein neues Diagnoseprogramm? Etwas von der System-Security-Abteilung?« Strathmore schüttelte den Kopf.
»Eine Datei von draußen.« Susan wartete auf die Pointe, aber es kam keine.
»Eine Datei von draußen? Das ist doch nicht Ihr Ernst!«
»Ich wünschte, es wäre so. Ich habe sie gestern Nacht gegen halb elf Uhr eingegeben. Die
Dechiffrierung läuft immer noch.« Susan blieb der Mund offen stehen. Sie schaute auf ihre Uhr und dann wieder zu Strathmore.
»Sie läuft immer noch? Seit über fünfzehn Stunden?« Strathmore beugte sich vor und drehte Susan den Monitor zu. Der Bildschirm war schwarz bis auf ein kleines gelbes Textfenster, das in der Mitte blinkte . BISHERIGE RECHENZEIT: 15:09:33 VORAUSSICHTLICHE RECHENZEIT:
Susan starrte auf den Bildschirm. Sie konnte nur noch staunen. Der TRANSLTR arbeitete schon seit über fünfzehn Stunden an ein und demselben Code, und ein Ende war noch gar nicht abzusehen? Sie wusste, dass seine Prozessoren jede Sekunde dreißig Millionen mögliche Schlüsselkombinationen durchprobierten - das machte pro Stunde über hundert Milliarden! Wenn der TRANSLTR immer noch mit dem Durchzählen beschäftigt war, musste der Schlüssel gigantisch sein - über zwanzig Milliarden Stellen lang. Es war der absolute Wahnsinn.
»Das ist unmöglich!«, sagte sie entschieden.
»Haben Sie schon nach Fehlermeldungen gesucht? Vielleicht hat der TRANSLTR eine kleine Macke und. . .«
»Er läuft absolut sauber.«
»Aber dann muss der Schlüssel riesig sein!« Strathmore schüttelte den Kopf.
»Es ist ein handelsüblicher Schlüssel. Ein Vierundsechzig-Bit-Key, nehme ich an.« Susan schaute durch einen Spalt in den Vorhängen hinunter zum TRANSLTR. Diese Maschine konnte einen Vierundsechzig-Bit-Schlüssel erfahrungsgemäß in weniger als zehn Minuten knacken.
»Es muss doch eine Erklärung geben!« Strathmore nickte.
»Die gibt es auch. Aber sie wird Ihnen nicht gefallen.« Susan sah ihn unbehaglich an.
»Ist mit dem TRANSLTR etwas nicht in Ordnung?«
»Er funktioniert tadellos.«
»Haben wir uns einen Virus eingefangen?« Strathmore verneinte kopfschüttelnd.
»Keinesfalls. Lassen Sie mich erklären.« Susan war sprachlos. Der TRANSLTR hatte es noch nie mit einem Code zu tun bekommen, den er nicht in weniger als einer Stunde entschlüsselt hätte. Normalerweise spie Strathmores Druckermodul den Klartext schon innerhalb von Minuten aus! Sie warf einen Blick auf den Hochgeschwindigkeitsdrucker hinter Strathmores Schreibtisch. Der Ausgabeschacht war leer.
»Susan«, begann Strathmore ruhig, »Sie werden mir wahrscheinlich nicht glauben, aber bitte hören Sie mir jetzt eine Minute lang zu.« Er kaute auf seiner Unterlippe herum.
»Dieser Code, an dem der TRANSLTR jetzt arbeitet - er ist einzigartig. Er ist mit nichts von dem zu vergleichen, was uns bisher begegnet ist.« Strathmore zögerte, als ob der nächste Satz nicht über seine Lippen kommen wollte.
»Dieser Code ist nicht dechiffrierbar.« Susan schaute ihn entgeistert an. Fast hätte sie laut losgeprustet. Nicht dechiffrierbar? Was sollte das denn heißen? Es gab keinen nicht dechiffrierbaren Code - bei dem einen dauerte es eben etwas länger als beim anderen, aber knacken konnte man sie alle. Der TRANSLTR musste früher oder später den richtigen Schlüssel erraten, das garantierte ein mathematisches Gesetz!
»Habe ich Sie richtig verstanden?«
»Dieser Code ist unentschlüsselbar«, wiederholte Strathmore
ungerührt. Unentschlüsselbar? Susan konnte kaum glauben, dass einem Mann mit siebenundzwanzigjähriger Berufserfahrung in der Analyse von Verschlüsselungsverfahren ein solches Wort über die Lippen gekommen war.
»Unentschlüsselbar, Sir? Und was ist mit dem BergofskyPrinzip?« Susan hatte schon ganz zu Anfang ihrer Karriere mit dem Bergofsky-Prinzip, dem Grundstein der Brute-Force-Technologie, Bekanntschaft gemacht. Schließlich hatte es Strathmore zum Bau des TRANSLTR inspiriert! Es sagte aus, dass ein Computer mit mathematischer Sicherheit den richtigen Schlüssel finden musste, wenn er nur eine ausreichende Zahl von Möglichkeiten durchprobierte. Die Sicherheit eines Code-Schlüssels bestand nicht in seiner Unauffindbarkeit, sondern darin, dass die meisten Leute weder die Zeit noch die Mittel hatten, ihn zu suchen. Strathmore schüttelte den Kopf.
»Bei diesem Code ist es anders.«
»Inwiefern anders?« Susan
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