Diabolus
indifferent, wie Strathmore. Susan war am Ende des Treppenaufgangs angekommen. Sie hatte noch nicht geklopft, als Strathmores Türöffner bereits summte. Die Tür schwang auf, und der Commander winkte sie herein.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Sie haben jetzt bei mir einen Gefallen gut.«
»Keine Ursache.« Lächelnd nahm Susan vor seinem Schreibtisch Platz. Strathmore war ein hoch gewachsener kräftiger Mann, dessen gleichmütiger Gesichtsausdruck seine unbeirrbare Effizienz und seinen Perfektionsdrang kaum ahnen ließ. Die grauen Augen, sonst ein Spiegel seines aus langer Erfahrung gewonnenen Selbstvertrauens und seiner Besonnenheit, blickten beunruhigt und unstet in die Welt.
»Sie sehen ziemlich fertig aus«, bemerkte Susan.
»Allerdings«, seufzte Strathmore.
»Es ist mir schon mal besser gegangen.« Das kann man aber laut sagen!, dachte Susan. Strathmore sah schlechter aus, als sie ihn je erlebt hatte. Sein dünner werdendes Haar war zerwühlt. Ungeachtet der voll aufgedrehten Klimaanlage standen Schweißperlen auf seiner Stirn. Er wirkte, als hätte er in den Kleidern geschlafen. Strathmore saß an einem modernen Schreibtisch mit zwei in die Platte eingelassenen Keypads und einem Monitor. Der mit Computerausdrucken übersäte Tisch mitten in dem von den vorgezogenen Vorhängen abgeschirmten Raum sah aus wie ein futuristisches Cockpit.
»Harte Woche?«, erkundigte sich Susan.
»Das Übliche«, gab Strathmore achselzuckend zurück.
»Die EFF macht mir wieder einmal mit ihrem ewigen Datenschutz die Hölle heiß.« Susan lachte verständnisvoll. Die Electronic Frontier Foundation, oder kurz EFF, war eine weltweite Vereinigung von Computernutzern, die sich zu einer machtvollen Bürgerrechtslobby zusammengeschlossen hatten. Sie trat für das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet ein und versuchte der Öffentlichkeit die Gefahren einer durch die elektronischen Medien beherrschten Welt nahe zu bringen. Die EFF befand sich auf einem Dauerkreuzzug gegen die
»in orwellsche Dimensionen ausufernden Abhörmöglichkeiten des Regierungsapparats«, speziell der NSA. Sie war ein Pfahl in Strathmores Fleisch.
»Klingt eigentlich, als wäre alles wie immer«, sagte Susan.
»Worin besteht denn nun der schlimme Notfall, für den Sie mich aus der Wanne geholt haben?« Strathmore saß regungslos da. Geistesabwesend befingerte er den in die Schreibtischplatte eingelassenen Trackball. Nach längerem Schweigen sah er Susan fest in die Augen.
»Wie lange hat der TRANSLTR Ihres Wissens bei seinem bisher längsten Recheneinsatz an einem Code herumgerechnet?« Strathmores Frage traf Susan völlig unvorbereitet. Sie konnte sich nicht vorstellen, worauf der Commander hinauswollte. Dafür hat er dich antreten lassen?
»Nun. . .« Sie zögerte.
»Vor ein paar Wochen hat COMINT eine Mail abgefangen, für die wir ungefähr eine Stunde gebraucht haben. Aber sie hatte auch einen abartig langen Schlüssel. . .«
»Eine Stunde?«, grunzte Strathmore.
»Und die Testprogramme für die Rechnerleistung, die bei uns gelaufen sind?« Susan zuckte die Achseln.
»Wenn Diagnoseprogramme mitlaufen, dauert es natürlich etwas länger.«
» Wie viel länger?« Susan hatte immer noch keine Ahnung, in welche Richtung Strathmores Fragen zielten.
»Im vergangenen März, Sir, habe ich einen Algorithmus mit einem segmentierten Mega-Bit-Schlüssel
getestet. Dazu illegitime Schleifenfunktionen, Zellularautomaten, eben alles, was einem Rechner Mühe macht. Der TRANSLTR hat es trotzdem geschafft.«
»Und wie lang hat er gebraucht?«
»Drei Stunden.« Strathmore hob die Brauen.
»Drei Stunden? So lang?« Etwas befremdet runzelte Susan die Stirn. Während der letzten drei Jahre war die Feinabstimmung des geheimsten Computers der Welt ihr Arbeitsgebiet gewesen. Der größte Teil der Programmierung, die ihn so schnell gemacht hatte, war auf ihr Konto gegangen. Ein Schlüssel mit einer Million Bit war wohl kaum ein realistisches Szenario.
»Okay«, sagte Strathmore.
»Bisher hat also selbst unter extremen Bedingungen kein Code länger als drei Stunden im TRANSLTR überlebt?«
»So ist es.« Strathmore machte eine Pause, als befürchte er, etwas preiszugeben, das er später bedauern könnte. Schließlich hob er den Blick.
»Unser TRANSLTR ist auf etwas gestoßen. . .« Er verstummte. Susan wartete ab.
»Er rechnet schon länger als drei Stunden?«, erkundigte sie sich schließlich.
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