Diabolus
spezialisierter Prozessoren konnten mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit jede nur denkbare Zeichenkombination durchprobieren. Man hoffte, dass die Zähigkeit des TRANSLTR auch Codes mit unvorstellbar langen Private-Keys in die Knie zwingen würde. Das Multimilliarden-Meisterstück machte sich beim Codeknacken die Kraft des Parallelrechners und einige streng geheime Fortschritte auf dem Gebiet der Klartexterstellung zu Nutze. Es zog seine Rechenkraft nicht nur aus der Schwindel erregenden Anzahl seiner Prozessoren, sondern ebenso aus neuen Entwicklungen der Quanten-Computertechnik - einer Technologie, die Informationen mittels quantenmechanischer Zustände und nicht als binäre Ladungszustände zu speichern gestattet. Der Augenblick der Wahrheit kam an einem windigen Donnerstagmorgen im Oktober: der erste Probelauf. Bei aller Ungewissheit der Ingenieure, wie schnell ihre Maschine sein würde, war man sich doch über eines einig: Wenn alle Prozessoren schön parallel arbeiteten, würde der TRANSLTR einiges leisten können. Die Frage war, wie viel genau war »einiges«. . . Die Antwort kam zwölf Minuten später, als das Geräusch des anlaufenden Klartext-Druckers in die gespannte Stille der handverlesenen kleinen Schar der Anwesenden platzte. Der TRANSLTR hatte soeben in kürzester Zeit einen vierundsechzigstelligen Schlüssel geknackt - fast eine Million mal schneller als die zwanzig Jahre, die der zweitschnellste Rechner der NSA dafür gebraucht hätte.
Unter Führung des stellvertretenden NSA-Direktors, Commander Trevor J. Strathmore, hatte die Fertigungsabteilung der NSA triumphiert. Der TRANSLTR war ein Erfolg. Im Interesse der Geheimhaltung seines Erfolgs ließ Strathmore sofort durchsickern, das Projekt sei komplett in die Hosen gegangen. Die Geschäftigkeit in der Crypto-Kuppel sei nur ein verzweifeltes Bemühen, das Zwei-Milliarden-Fiasko noch irgendwie zu retten. Nur die oberste Führungsebene der NSA kannte die Wahrheit: Wie am Fließband knackte der TRANSLTR täglich Unmengen von Codes. Während man sich draußen in Sicherheit wiegte und glaubte, computerverschlüsselte Botschaften seien sicher, liefen bei der NSA die entschlüsselten Geheimnisse in Massen auf. Drogenbarone, Terroristen und Wirtschaftskriminelle, die es leid waren, ihre Mobiltelefone abhören zu lassen, hatten sich begeistert auf das neue Medium der verschlüsselten E-Mail als weltweites verzögerungsfreies Kommunikationsmittel gestürzt. Nie mehr würden sie sich von einem Gericht die Tonbandaufnahme ihrer eigenen Stimme vorspielen lassen müssen, Beweis eines längst vergessenen belastenden Telefongesprächs, das ein Spionagesatellit der NSA aus dem Äther gefischt hatte. Noch nie war das Sammeln von nachrichtendienstlichem Material so einfach gewesen. Die von der NSA abgefangenen verschlüsselten Texte wurden als unleserlicher Zeichensalat in den TRANSLTR geschaufelt, der sie Minuten später als einwandfrei lesbaren Klartext wieder ausspuckte. Mit den Geheimnissen war es vorbei. Um den Mummenschanz ihrer Inkompetenz komplett zu machen, betätigte sich die NSA als eifrige Lobbyistin gegen jegliche neue Verschlüsselungssoftware für Heimcomputer, die auf den Markt kam. Sie klagte lauthals, diese Programme würden ihr die Hände binden und es den Strafverfolgungsbehörden unmöglich machen, Kriminelle zu enttarnen und vor Gericht zu bringen. Die Bürgerrechtsgruppen lachten sich ins Fäustchen und meinten, die E-Mails der Bürger gingen die NSA ohnehin nichts an. Verschlüsselungssoftware wurde nach wie vor massenweise auf den Markt geworfen. Die NSA hatte eine Schlacht verloren - genau wie geplant. Sie hatte es geschafft, der ganzen Welt Sand in die Augen zu streuen. . . so schien es jedenfalls.
KAPITEL 5
Wo sind denn die anderen?, dachte Susan verwundert, während sie durch die verlassene Crypto-Kuppel ging. Merkwürdiger Notfall! Die meisten Abteilungen der NSA waren auch am Wochenende voll besetzt, aber in der Crypto herrschte samstags meistens Ruhe. Kryptographie-Mathematiker waren von Natur aus Workaholics. Deshalb gab es für sie die ungeschriebene Regel, am Samstag blauzumachen. Und daran mussten sie sich auch halten - falls nicht gerade eine Notsituation herrschte. Die Arbeitskraft der Codeknacker war für die NSA enorm wichtig und wertvoll. Man wollte nicht riskieren, dass die Leute ihre Arbeitskraft durch Überarbeitung vorzeitig ruinierten. Rechts von Susan ragte übermächtig der TRANSLTR aus dem Boden. Das aus
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